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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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herabgetreten und kam kopfschüttelnd auf sie zu. Zu ihrer großen Erleichterung stellte Magdalena fest, dass er ihr tatsächlich zu dem Bild folgte.
    »Was du hier siehst, ist die berühmte Maus, die uns ­Christen vor langer Zeit wieder zum Heiltumsschatz führte. Siehst du? Sie trägt einen Pergamentfetzen zwischen den Zähnen.«
    Dankbar für die Ablenkung beugte sich die Henkerstochter zu dem vom Alter grau eingefärbten Gemälde, auf dem eine Messe dargestellt war. Auf dem Bild huschte eine winzige Maus unter dem Altar hervor, sie hielt tatsächlich ein Stück Pergament im Maul.
    »Nachdem die Burg, die früher hier stand, zerstört worden war, schien der Schatz verschwunden«, fuhr Bruder Eckhart belehrend fort. »Mönche hatten ihn vor dem Altar der Burgkapelle vergraben, das Versteck wurde ver­gessen. Doch eine Maus zerrte ein Pergament aus dem Versteck hervor, auf dem einige Reliquien verzeichnet waren. So wurden die Heiltümer wiedergefunden. Das ist ein Wunder.« Er lächelte spöttisch. »Und nun gib mir endlich deine fromme Gabe und kehr zurück zu deiner sauren Milch.«
    »Ach ja, die fromme Gabe …« Magdalena lächelte verkrampft und beobachtete gleichzeitig aus dem Augenwinkel, wie Simon und ihr Vater oben vor der Tür zur Heil­tums­kammer standen. Unglücklicherweise schienen sie sie nicht öffnen zu können.
    Verflucht! Was macht ihr da? Wie lange soll ich mich hier eigentlich noch zur dummen Henne machen!
    Magdalena beugte sich hinunter und nestelte an ihrem Mieder, als ob sich zwischen ihren Brüsten ein paar Münzen befänden. Gierig starrte der Cellerar auf den unverhofften Anblick.
    »Vielleicht, äh … könntest du dem Kloster auch auf andere Weise zu Diensten sein«, murmelte er und leckte sich die Lippen. »Es soll dein Schaden nicht sein. Als Cellerar habe ich den Schlüssel zum Vorratskeller und auch noch zu ein paar tieferen Gängen. Dort gibt es Wein, Speck, Wurst und bestimmt ein kleines Plätzchen, wo wir zwei allein sein können.«
    »Zum Beten?«, fragte Magdalena und klimperte mit den Wimpern.
    Der Cellerar lachte. »Du kannst gern auch beten dabei. Das stört mich nicht.«
    In diesem Augenblick sah die Henkerstochter zu ihrer Erleichterung, wie Simon und ihr Vater oben durch die geöffnete Tür verschwanden. Sofort wandelte sich ihre Miene.
    »Na, was ist nun?«, fragte Bruder Eckhart lüstern. »Wollen wir zwei beten gehen?«
    »Wisst Ihr was, Hochwürden?«, zischte Magdalena. Sämtliche Naivität war nun aus ihrem Gesicht verschwunden. »Ihr seid mir zu alt, zu fett und zu hässlich. Und ich bezweifle stark, dass Ihr zu dieser Art von Beten überhaupt noch in der Lage seid. Ich glaube, ich spende doch lieber auf die herkömmliche Weise.« Sie zog einen einzelnen rostigen Kreuzer hervor und warf ihn dem verdutzten Cellerar vor die Füße. »Und nun gehabt Euch wohl, die heilige Elisabeth erwartet mich zur nächsten Audienz.«
    Sie machte auf dem Absatz kehrt und scharwenzelte ­hinaus zur Kirchentür, nicht ohne sich ein letztes Mal vor den beiden Marienstatuen verneigt zu haben.
    Als Simon die Klinke drückte und feststellte, dass die Tür oben auf der Empore verschlossen war, unterdrückte er einen leisen Fluch. Es sah ganz danach aus, als wären sie umsonst gekommen.
    »Natürlich abgesperrt!«, flüsterte er. »Das hätten wir uns ja auch denken können.« Er blickte hinunter ins Kirchenschiff, wo Magdalena soeben mit dem Cellerar nach hinten in die Apsis ging. »Am besten, wir machen kehrt, bevor meine Frau sich noch um Kopf und Kragen redet.«
    »Nichts da«, brummte der Henker. »Schau nur zu, dass uns keiner beobachtet. Den Rest mach ich.« Er zog einen kleinen gewundenen Draht hervor und begann damit im Schlüsselloch herumzunesteln. »Mit so was sperr ich manchmal auch die Fußketten in der Schongauer Fronveste auf, wenn ich den Schlüssel mal wieder verlegt hab«, erklärte er, während er den Draht langsam hin und her drehte. »Das wird nicht lang dauern. Na, wer sagt’s denn?«
    Ein leises Klicken ertönte, dann schwang die Tür auf, und sie schlüpften hinein.
    »Das wird Euch aber bei den Schlössern oben am Eingang zur Heiligen Kapelle nicht viel weiterhelfen«, gab ­Simon zu bedenken, während sie die gewundene Treppe vorbei an den Votivbildern nach oben eilten. »Die sind von anderer Sorte.«
    »Schafskopf, das weiß ich selbst. Ich will ja auch nicht rein in die Kapelle, ich will mir nur den Vorraum ansehen.«
    Simon sah seinen Schwiegervater

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