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Der Hexer von Quin

Der Hexer von Quin

Titel: Der Hexer von Quin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Inc, rechts daneben Daquo, und von dort kommen wir.«
    Hoono zeigte die Inseln. Die Schiffe waren winzige Punkte in der dunklen Farbe der See. Die Rhiad verbarg sich hinter dem endlosen Wald, der scheinbar keine Unterbrechung kannte.
    »Und jener Streifen in Silbergrau, wie eine Wolke über dem Meer?« wollte Hrobon wissen und zeigte nach Norden.
    »Es ist Conee, eine Insel, über die auch ich wenig weiß. Dort verbargen sich die Sklavenfänger.«
    »Mir wäre wohler, wenn ich wieder vor den Mauern Logghards reiten könnte«, schloß Hrobon mit einem langen Seufzer. Casson glaubte ihm jedes Wort. Er bemerkte auch den sorgenvollen Blick, den Hrobon auf Yzinda richtete, und, wie der junge Jäger den Augen der Coltekin auswich.
    »Weiter auf der steinernen Straße!« ordnete Casson an, um erst gar nicht zu viele unpassende Gedanken aufkommen zu lassen.
    Sie ritten in derselben Formation weiter.
    Hrobon und Hoono führten den Zug an, der sich auf der breiten Steinstraße abwärts wand. Es gab hier kaum eine Möglichkeit für einen Hinterhalt. Mit langen, federnden Schritten liefen die Orhaken abwärts, folgten den Windungen des Weges und tauchten wieder ein in die abwechselnden Bänder von rotem Sonnenlicht und pechschwarzen Schatten. Hier wehte ein kühler Wind, der den modrigen Geruch des Dschungels vertrieb. Aber je mehr die riesige, feuerrote Scheibe im Rücken der Männer versank, desto mehr fingerartige Nebelschleier schoben sich zwischen den Stämmen und Zweigen hervor, und lagerten sich über den Weg.
    Quellen wurden sichtbar, die zwischen dem Geröll glickerten und sich endlich senkrecht, in langen, wehenden Fahnen, in die Tiefe von Erdspalten stürzten. Es wurde dunkler. Gewaltige Felstrümmer waren zwischen die Wände der Schluchten gefallen, hatten sich vor Urzeiten festgekeilt, und auf ihrer Oberfläche hatten jene ausgestorbenen Erbauer der Straße ihr Pflaster gegründet.
    Zur rechten Hand erschien unter Bäumen mit fast kugelrunden Kronen ein See. Auch er war kugelrund, von saftigen Weideflächen umgeben. Ein unregelmäßiger Gürtel aus Sand, in dem mehrere schwarze Feuerkreise zu erkennen waren, zog sich entlang des Wassers. Hundert Schritt betrug der Durchmesser dieser Wasserfläche am tiefsten Punkt des Tales. Die Straße führte an ihm vorbei und verschwand nach zehn Bogen-Schußweiten zwischen zwei natürlichen, riesigen Felssäulen. Sie drohten, jeden Augenblick umzufallen. Hoono hob die Hand und schwenkte sein Blasrohr.
    »Wir sind da!«
    Sein Schrei gellte als sich wiederholendes Echo mehrmals zwischen den Wänden hin und her. Hrobon lenkte Kußwind dorthin, ritt einmal um den Teich herum und winkte dann Casson.
    »Ein sehr guter Platz für uns alle«, rief er befriedigt.
    Die Orhaken und ihre Reiter versammelten sich unter den ausladenden Kronen. Die Krieger sprangen ins weiche Gras, die Vögel tappten langsam zum Wasser und schaufelten es mit ihren gekrümmten Zungen in den Schlund. Casson hob Yzinda vom Sattel, löste die Schnallen der Satteltaschen und schlug Minesang kräftig auf den Schenkel.
    »Lauf, mein Kleiner«, sagte er. »Betrinke dich nicht.«
    Minnesang widmete ihm einen Blick aus dem riesigen Auge, schloß und öffnete es mehrmals und folgte dann seinen durstigen Artgenossen. Ein letzter Reiter stob heran und ließ ein blutendes Stück Rotwild zwischen die Loggharder fallen.
    »Der abendliche Braten«, rief er lachend und sprang neben Yzinda aus dem Sattel. Die junge Frau zuckte zusammen, wandte sich um und suchte Schutz an Cassons breiter Brust.
    »Schon gut«, murmelte er und strich ihr übers Haar. Yzinda hatte alle ihre Besitztümer, Kleider und Schmuck angelegt. Sie sah heute so aus, wie sie Luxon in Logghard zum erstenmal gesehen hatte. Sie setzte sich willenlos auf einen großen, warmen Stein und stierte vor sich hin.
    Casson schüttelte den Kopf.
    Ihr Verhalten war voller Rätsel. War sie wahnsinnig? Oder terrorisierte sie ein Inkubus? Lange oder kurze Zeiten, in denen sie so normal und natürlich wie jede andere Frau ihres Alters war, wechselten mit Zeiten ab, in denen sie phantasierte, ihre Zusammenbrüche hatte, sich davon erholte oder, wie jetzt, stumpfsinnig schweigend und von jeder Kleinigkeit zu erschrecken, dasaß oder halb schlafend dalag. Zwar trank, aß und schlief sie noch, auch ihre Anziehung auf Casson hatte nicht nachgelassen, aber sie verhielt sich wie eine Puppe, in der ein fremder Geist ein und ausging, wie es ihm beliebte. Sie war krank, ohne Zweifel.

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