Der Himmel auf Erden
schnaufte.
Bengt Johanssons gab etwas von sich wie einen Schluchzer.
»Wo ist die Mutter?«, fragte Ringmar. »Ist der Junge nicht bei ihr?«
»Nein«, sagte Winter. »Herr Johansson hat mir ein paar Stellen genannt, wo er noch nicht angerufen hat, und an einer davon war sie.«
»Was für eine Stelle?«
Winter antwortete nicht.
»Pubs? Restaurants?«
»So was in der Richtung. Wir haben sie gefunden und identifiziert, aber der Junge war nicht bei ihr.«
»Was sagt sie selber?«
»Nichts, was uns im Augenblick helfen könnte«, antwortete Winter.
Bengt Johansson bewegte sich.
»Was soll ich denn jetzt tun?«
»Haben Sie jemanden, der vorläufig bei Ihnen bleiben kann?«, fragte Winter.
»Äh… ja, meine Schwester…«
»Einer unserer Kollegen bringt Sie nach Hause«, sagte Winter. »Sie dürfen jetzt nicht allein sein.«
Bengt Johansson antwortete nicht. »Ich möchte, dass Sie zu Hause warten«, sagte Winter. »Wir lassen von uns hören.« Vielleicht lässt auch jemand anders von sich hören, dachte er. »Kannst du Heiander und Börjesson anrufen, Bertil?«
»Was um Himmels willen hat das zu bedeuten?«, fragte Ringmar. Sie saßen in Winters Büro. Winter hatte versucht, Hanne Östergaard, die Polizeipastorin, zu erreichen, aber sie war über Weihnachten im Ausland.
»Ein Familiendrama der schweren Sorte«, sagte Winter. »Die Mutter lässt das Kind allein und hofft, dass sich eine freundliche Seele vom Personal erbarmt. Oder ein anderer Barmherziger.«
»Was ja auch passiert sein könnte«, sagte Ringmar.
»Es scheint so.«
»Und jetzt ist er also verschwunden«, sagte Ringmar. »Vier Jahre alt.«
Winter nickte und zog mit seinem Zeigefinger einen Kreis auf der Tischplatte und darüber noch einen Kreis.
»Wo ist die Mutter jetzt?«
»Zu Hause, zwei vom Sozialamt sind bei ihr. Vielleicht auf dem Weg ins Östra, ich muss jeden Moment Bescheid kriegen. Sie saß in einer Kneipe und hat getrunken, aber nicht viel. Sie war verzweifelt und voller Reue, wie man so sagt.«
»Wie man so sagt«, wiederholte Ringmar.
»Sie ist nach einer Weile zurückgekehrt, wusste aber nicht, wie viel Zeit inzwischen vergangen ist, und da war der Junge weg und sie dachte, die Behörden hätten sich seiner angenommen.«
»Hat sie bei der zuständigen Polizeidienststelle angerufen?«
»Nein.«
»Und ihren Mann hat sie auch nicht angerufen?«
Winter schüttelte den Kopf. »Sie sind geschieden. Er hat das Sorgerecht.«
»Warum hat sie das getan?«, fragte Ringmar.
Winter hob die Arme ein Stück über die Tischplatte.
»Das weiß sie selber nicht«, sagte er, »jedenfalls nicht im Augenblick.«
»Glaubst du ihr?«, fragte Ringmar.
»Dass sie den Jungen zurückgelassen hat? Ja, was wäre die Alternative?«
»Etwas noch Schlimmeres«, sagte Ringmar.
»Wir müssen uns mit allen möglichen Alternativen beschäftigen«, sagte Winter. »Auch das Alibi des Vaters überprüfen. Im Augenblick steht nur eins fest, das Kind ist verschwunden. Mehr wissen wir nicht.«
»Bist du beim Vater zu Hause gewesen?«
»Ja«, sagte Winter. »Und im Augenblick versuchen wir herauszufinden, wer alles zu dem Zeitpunkt im Erdgeschoss im Nordstan gearbeitet hat.«
»Du meinst, jemand könnte das Kind mitgenommen haben?«, fragte Ringmar.
»Ja.«
»Kommt uns das bekannt vor?«, fragte Ringmar.
»Ja.«
»Genau«, sagte Ringmar, »aber die Umstände sind diesmal anders.«
»Vielleicht nicht«, sagte Winter. »Dieser Junge… Micke… war in einem Kindergarten im Zentrum. Nicht weit entfernt von den anderen, um die es aktuell geht… inklusive unseres Kindergartens oder besser Elsas.«
»Ja?«
»Wenn einer die Kindergärten hin und wieder beobachtet, sie quasi bewacht… dann ist es doch nicht undenkbar, dass der Betreffende auch jemandem folgen könnte, der ein Kind abholt.«
»Warum?«
»Er oder sie interessiert sich für das Kind.«
»Warum?«
»Aus demselben Grund wie bei den früheren Fällen.«
»Jetzt mal ruhig, Erik.«
»Ich bin ruhig.«
»Was ist der Grund?«, fragte Ringmar.
»Das wissen wir noch nicht.«
Ringmar machte eine Pause.
»Vielleicht ist es leichter ein Kind mitzunehmen, das man eine Weile beobachtet hat«, sagte Ringmar.
»Vielleicht.«
»Statt einfach hinzugehen und mit dem Wagen abzuhauen. Die Mutter könnte ja daneben stehen.«
Winter nickte. Er versuchte sich das Bild vorzustellen, es gelang ihm aber nicht. Es waren zu viele Menschen im Weg.
»Oh, Scheiße, Erik, wir könnten es jetzt mit einer
Weitere Kostenlose Bücher