Der Himmel auf Erden
könnte der Pflegesohn sein«, hatte Ringmar gesagt. »Ihm ist etwas zugestoßen, was mit einem dieser Studenten zu tun hat. Smedsberg. Oder vielleicht sogar dem Alten. Georg hieß er wohl?«
»Ja.«
»Der Pflegesohn… Mats… könnte sich das Eisen von Carlström geholt und es benutzt haben. Wir wissen ja, dass er da war.«
»Carlström könnte es selbst getan haben«, hatte Winter gesagt. »Er ist kein Krüppel.«
»Und warum?«
»Das ist die große Frage.«
»Immer die große Frage«, hatte Ringmar gesagt. »Wir müssen morgen mit ihm reden.«
»Carlström?«
»Jerner. Mit dem Pflegesohn.«
»Wenn er in der Stadt ist«, hatte Winter gesagt. Er hatte den Namen und die Adresse im Telefonbuch nachgeschlagen und sofort angerufen, als sie nach Hause gekommen waren, aber es hatte sich niemand gemeldet. Im Auto auf dem Heimweg hatte er zuerst erwogen, im Polizeipräsidium anzurufen und zu bitten, ein Auto hinzuschicken, doch das war noch zu früh. Besser ein wenig abwarten.
»Die Frau«, hatte Ringmar gesagt, »Gerda, Smedsbergs Frau. Was ist mit ihr passiert?«
»Wie tief sollen wir denn noch buddeln da draußen, Bertil?«
»Vielleicht bis zur Hölle«, hatte Ringmar geantwortet. Er sieht tausend Jahre alt aus, wie er da am Tisch sitzt, runzlig wie eine Dynastie, hatte Winter gedacht.
»Vielleicht ist es bodenlos«, hatte er gesagt, »Lehm bis nach China. Wollen wir ein bisschen pennen? Das wird ein langer Tag morgen.«
»Wir haben noch nicht über das Wichtigste geredet«, hatte Ringmar gesagt, »sind das Ganze nicht noch mal durchgegangen.«
»Morgen Früh spreche ich mit Maja Bergort«, hatte Winter gesagt, »und noch mal mit dem kleinen Waggoner.«
»Ich hör noch mal die Bänder ab.«
»Die will ich auch noch mal sehen.«
»Sie sind ja da«, hatte Ringmar gesagt. »Aneta macht einen neuen Versuch mit dem Jungen Skarin. Und der kleinen Ellen Sköld.«
»Der abwesende Vater«, hatte Ringmar gesagt.
»Wir haben reichlich Auswahl«, hatte Winter gesagt.
»Was meinst du damit?«
»Wir können viele verhören, verdächtigen, bei vielen ermitteln.«
»Du hast nicht nur daran gedacht, Erik.«
»Nein. Ich hab auch an mich selbst gedacht.«
»Du hast an mich gedacht.«
»Ich hab an dich und an mich gedacht.«
*
Er starrte auf den Bildschirm, die einzige Lichtquelle im Zimmer, abgesehen von der Stehlampe neben dem Ledersessel, der neben der Balkontür stand. Er sah auf seine Armbanduhr: zwei. Paul Simon sang etwas, das er nicht verstand, aber es klang schön.
Er streckte sich nach dem Telefon und wählte die Nummer. Seine Mutter hatte eine Stimme wie eine Jazzsängerin nach zwei Uhr nachts, als sie sich meldete: »Ha… hallo?«
»Hallo, Mutter, hier ist Erik.«
»Er… Erik, ist was passiert?«
»Nein, aber ich wollte mit Angela sprechen.«
»Sie schläft. Und Els…« Er hörte eine Stimme im Hintergrund und dann wieder seine Mutter: »Ja, du hast sie geweckt, jetzt kommt sie.«
»Was ist, Erik?«, fragte Angela.
»Es ist nichts… ich wollte nur deine Stimme hören…«
»Wo bist du?«
»Zu Hause natürlich.«
»Was ist das für ein Geräusch?«
»Es könnte der Computer sein oder die Paul-Simon-CD, die du gekauft hast.«
»Ich höre es. Hmmmm.«
Ihre Stimme klang schlaftrunken, ein wenig heiser, lieblich. Eine Stimme in Niedrigfrequenz, wie halb im Traum.
»Wie geht es euch?«, fragte er.
»Gut, die Sonne scheint, die Sterne glitzern.«
»Was macht Elsa?«
»Sie hat versucht zu baden, fand es aber doch zu kalt.«
»Und sonst?«
»Spielt auf dem Rasen. Und zeigt auf den Schnee, der auf dem Berg liegt.«
»Der Weiße Berg«, sagte Winter.
»Das kann sie schon auf Spanisch sagen. Würden wir ein halbes Jahr bleiben, dann würde sie zweisprachig.«
»Gar keine schlechte Idee«, sagte Winter.
»Und was machst du so?«
»Ich komme«, sagte er.
Ein halbes Jahr in Spanien. Oder ein ganzes. Er könnte es sich leisten.
Nach diesem Fall. Wer weiß.
»Und morgen ist Heiligabend. Elsa redet von nichts anderem. Feliz Navidad.«
»Heute.«
»Mhm. Hast du angerufen, um mich daran zu erinnern?«
»Nein.«
»Kommst du immer noch am zweiten Weihnachtstag?«
»Ja.«
»Siv wollte es nicht glauben, also, dass du nicht mitgekommen bist.«
»Sie muss dich zum Ausgleich nehmen.«
»Sie? Sie braucht doch niemanden zum Ausgleich.«
»Nein.«
»Deine Stimme klingt sehr müde, Erik.«
»Ja.«
»Ist es morgen so weit?«
»Ja.«
»Trink heute Nacht keinen Whisky.«
»Wir haben die
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