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Der Himmel auf Erden

Der Himmel auf Erden

Titel: Der Himmel auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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und schnaufte: »Und mit der Straßenbahn konntest du ja kaum herkommen.« Er schnaufte wieder. »Das wäre ein Anblick gewesen.«
    »Ich hab heute frei«, antwortete er. »Der Weg ist weit.«
    »Nicht so schlimm.«
    »Du könntest genauso gut auf der anderen Seite des Erdballs wohnen«, sagte der Alte. Er schaute wieder hinauf zum Großen Kalender im Himmel. »Ist es jetzt vier oder fünf Jahre her, dass du zuletzt hier gewesen bist?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Siehst du.« Über sich hörte er das Geräusch von Flügeln. Er schaute hinauf und sah die Raben, die zwischen der Scheune und dem Wohnhaus hin- und herflatterten.
    »Wenn du schon mal hier bist, sollst du auch einen Kaffee haben«, sagte der Alte.
    Sie gingen ins Haus. Er nahm den Geruch im Vorraum wahr, und plötzlich war er in eine andere Zeit versetzt.
    Damals, als er Kind gewesen war.
    Drinnen sah alles unverändert aus. Auf diesem Stuhl da hatte er früher gesessen. Ihm gegenüber hatte sie gesessen, groß, rot.
    Sie war lieb gewesen, anfangs schon. Das war zu der Zeit gewesen, als er gespürt hatte, dass sein Jungenkörper immer noch weich war, da war es noch nicht zu spät gewesen.
    War es so? Stimmte seine Erinnerung?
    Das gehörte in die andere Zeit. Die Onkel und Tanten hatten entschieden, dass er nicht bei seiner Mutter wohnen sollte. Er hatte einen Pflegevater bekommen, und jetzt klapperte er am Herd, nach einer Weile blubberte das Wasser im Kessel, und der Alte nahm mit zittrigen Bewegungen Tassen und Teller aus dem Schrank hinter sich.
    »Ja, hier ist alles unverändert, wie du siehst«, sagte er und stellte einen kleinen Korb mit Zimtschnecken auf den Tisch, die noch in der Plastikverpackung steckten.
    »Ja.«
    »Nicht mehr so ordentlich wie früher, aber sonst unverändert«, sagte der Alte.
    Er nickte. Das sollte wohl ein Scherz sein.
    Der Kaffeekessel pfiff, und der Alte schenkte Kaffee ein. Dann setzte er sich wieder und sah ihn mit diesem vertrauten Blick an, das eine Auge schien zu versinken, das andere hob sich.
    »Warum bist du gekommen?«
    »Ich weiß… nicht.« Er war schon mehrmals zurückgekommen. Vielleicht, weil es das letzte Zuhause gewesen war, das er gehabt hatte. Und die Landschaft hatte ihm gefallen, sie hatte ihm wirklich gefallen. Der Duft hier.
    »Ich hab geschrieben«, sagte er.
    »Das ist nicht dasselbe.«
    Er trank von dem Kaffee. Der schmeckte, wie die Erde da draußen schmecken mochte, oder wie der verölte Schotter, mit dem sie die Straße gedeckt hatten, als er noch hier wohnte. Da war noch ein Geruch, an den er sich erinnerte.
    »Was ist?«, fragte der Alte.
    »Wie meinst du das?«, fragte er zurück.
    »Was willst du hier?«
    »Ich will gar nichts. Muss man immer was wollen?«
    Der Alte trank von seinem Kaffee und nahm sich eine Zimtschnecke, biss aber nicht hinein.
    »Ich kann dir nichts geben«, sagte er.
    »Hab ich denn um was gebeten?«
    »Nur, dass du es weißt«, sagte der Alte. Jetzt biss er in die Zimtschnecke und redete im Kauen weiter: »Bei mir ist eingebrochen worden. Im Stall, kannst du dir das vorstellen? In einen Stall einzubrechen, wo keine Tiere sind und es nichts zu holen gibt.«
    »Woher weißt du denn, dass eingebrochen wurde?«
    »Wie?«
    »Woher weißt du, dass eingebrochen wurde, wenn es nichts zu holen gab?«
    »So was sieht man, wenn man den Stall sein ganzes Leben kennt. Man sieht, wenn jemand drinnen gewesen ist.« Der Alte spülte die Zimtschnecke mit Kaffee hinunter. »So was merkt man«, wiederholte er.
    »Aha. Und es wurde nichts gestohlen?«
    »Ein paar Sachen, aber nichts von Bedeutung.« Die Augen des Alten waren jetzt auf etwas anderes gerichtet. »Darum geht es nicht.«
    Er schwieg. »Man will eben nicht, dass hier jemand rumläuft, wenn man selbst nicht zu Hause ist. Oder im Bett liegt und schläft.«
    »Das versteh ich.«
    Jetzt musterte ihn der Alte, die Augen schauten in zwei verschiedene Richtungen.
    »Du siehst nicht gesund aus«, sagte er.
    »Ich bin… krank gewesen.«
    »Was hast du gehabt?«
    »Nichts Besonderes.«
    »Grippe?«
    »So was Ähnliches.«
    »Und deswegen bist du hergekommen, um dich in der Dungluft zu erholen.«
    »Ja.«
    »Na, dann hol mal tief Luft«, sagte der Alte und schnaubte, das sollte wohl ein Lachen sein.
    »Hab ich schon getan.«
    »Bitte sehr.«
    Er führte wieder die Tasse zum Mund, brachte es aber nicht über sich zu trinken. Ihn schauderte in der feuchten Luft, die sie mit in die Küche gebracht hatten. Der Alte hatte es noch nicht

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