Der Himmel auf Erden
in Frölunda, Larissa Serimowa, hat die Anzeige entgegengenommen und war auch mit im Krankenhaus, wohin die Eltern das Mädchen direkt nach ihrer Erzählung gebracht haben. Der Arzt fand ein paar blaue Flecken. Ein paar Tage später war Serimowa zu Hause bei der Familie und meinte, noch mehr gesehen zu haben.«
»Dann hängt der Fall gar nicht mit unserer Sache zusammen«, sagte Halders. »Sie schlagen ihr Kind und bringen es atemlos in die Notaufnahme, um die Verletzungen untersuchen zu lassen und unschuldig zu wirken.« Er sah Sara Heiander an. »Happens all the time.«
»Aber die Geschichte der Mutter stimmt fast genau überein mit dem, was die anderen Mütter erzählt haben«, sagte Winter.
»Warum sind es nur Mütter?«, fragte Halders.
»Stimmen also überein«, wiederholte Winter. Dazu fiel eine Weile niemandem ein Kommentar ein. Die Kerzen brannten immer noch, während der Tag draußen vorm Fenster heller wurde. Winter sah, wie die Betonpfeiler des Nya-Ullevi-Stadiums langsam in Dunst eingehüllt wurden, grau wie die Luft, die sie umgab. Alles war ein Ganzes, alles schien in sich selbst zu schweben. Es gab keine Abgrenzungen, keine Linien. Jetzt hörte er die Streifenwagen unten, der Verkehr war dichter als gewöhnlich. Der Morgen nach dem Luciafest und die Stadt war eine andere, Tausende von Jugendlichen brauchten Hilfe nach den nächtlichen Feten. Sie liegen bündelweise in der Stadt rum, wie Halders gesagt hatte, als er kam. Die Ausnüchterungszellen waren gefüllt mit Jugendlichen, die ihren Rausch ausschliefen, dem Kater entgegen, der schrecklich war.
»Ich versuche ein Muster bei den Orten zu finden«, sagte Winter. »Warum gerade dort? Warum die Kindergärten oder die Spielplätze?«
»Hast du einen Plan gezeichnet?«, fragte Aneta Djanali.
»Damit will ich heute Vormittag anfangen.«
Daraus entstehen nur noch mehr Fragen, dachte Halders, sagte es aber nicht. Stattdessen sagte er: »Willst du mit den Eltern reden?«
»Ja.«
»Mit allen?«
»Ja.«
»Bei der Bergortfamilie draußen in Önnered möchte ich gern dabei sein.«
»Wenn du ruhig bleibst«, sagte Winter.
»Du brauchst mich«, sagte Halders.
Der Morgen war noch nicht vorbei. Die Arbeit war nicht vorbei. Sie arbeiteten ja nie an einer einzigen isolierten Frage zur Zeit. Das wäre dann eine der besten aller Welten, aber darin lebten sie nicht. In der besten aller Welten würde es sie gar nicht geben, nicht als Berufsgruppe. Im Paradies gab es keine Kriminalpolizei, keine Schutzpolizei. Gesetz und Ordnung errichteten sich selbst. Alle lebten im Land von Milch und Honig.
Aber wer zum Teufel möchte in dem Kleister herumplatschen?, wie Halders einmal gesagt hatte, als das Thema zur Sprache gekommen war.
Fredrik versuchte zu seinem Jargon zurückzukehren, aber Winter sah die Schatten um seine Augen, tiefer als bei Bertil.
Brauchst du eine Pause?, hatte Winter vor noch gar nicht langer Zeit in leichtem Tonfall gefragt. Halders hatte eine Pause gemacht, eine viel zu kurze. Ich höre meinen Kindern zu, hatte er gesagt, und das hatte Winter verstanden. Fredrik war aus einem einsamen Leben mit geteiltem Sorgerecht in ein Leben als einsamer Erwachsener mit zwei schulpflichtigen Kindern geschleudert worden. Welche Rolle spielte Aneta? Er wusste es nicht. Wusste sie es?
»Unser schwarzer Medizinstudent ist immer noch verschwunden«, sagte Halders und sah Aneta Djanali an. »Hast du die Heimatfront eingeschaltet?«
»Sie halten Ausschau in den Savannen zwischen Kenia und Burkina Faso«, antwortete sie.
»Gibt es Savannen in Burkina Faso?«, fragte Bergenhem, der sich für Geographie interessierte.
»Nein«, antwortete Aneta Djanali, »das ist doch der Witz.«
»Das ist eine Interpretationsfrage.« Halders lächelte.
»Ich kann euch nicht ganz folgen«, sagte Bergenhem.
»Da bist du nicht allein«, sagte Aneta Djanali.
»Wenn ihr so weitermacht, schafft es der Junge bis nach Südafrika«, sagte Winter.
»Dann müssen wir ihn dort schnappen«, sagte Halders.
»Jetzt hör aber auf, Fredrik.« Halders richtete sich in seinem Stuhl wieder auf. Winter sah, wie sich sein Gesicht anspannte, die Schmerzen im Nacken kamen wieder.
»Gestern am späten Nachmittag haben wir Smedsberg geschnappt, bevor er zu den Dungsavannen auf der Ebene von Västergötland abhauen konnte. Er hat uns bestätigt, dass er Streit mit dem Arier Kaite hatte.«
»Worüber?«
»Eine Braut.«
»Eine Braut?«
»Hat er jedenfalls behauptet. Kaite bildete sich ein,
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