Der Himmel kann noch warten
schlechte Nachricht.
»Welches Krankenhaus?«, frage ich.
»Bei uns«, sagt Opa.
Er erzählt, dass es Oma gut geht. Trotz ihrer Hüfte und ihres Beins. Sie liegt im Bett und löst Kreuzworträtsel. Und in ein paar Wochen darf sie wieder nach Hause.
»Kann sie nicht hierherkommen?«, frage ich.
»Wie meinst du das?«
»Mit einem Hubschrauber«, sage ich. »Dann kann sie schön neben mir liegen und ich kann ihr bei den Kreuzworträtseln helfen. Und wir können plaudern und zusammen lesen und fernsehen.«
Opa nickt. Er hält das für eine gute Idee. Das ist es natürlich auch. Es macht überhaupt keinen Sinn, dass Oma anderthalb Stunden entfernt in einem Krankenhausbett liegt und ich hier.
»Kümmerst du dich um den Hubschrauber?«, fragt Opa. »Oder soll ich das tun?«
»Mach du das«, sage ich. »Dann kümmere ich mich um ein leeres Bett.«
Opa und ich schauen zu Jani. Er atmet schwer.
»Du hast auch nichts mit dem Himmel am Hut, oder, Opa?«
Opa schüttelt den Kopf.
»Wieso nicht?«
»Weil ich da noch nie gewesen bin.«
Ja, das kann jeder sagen. Opa muss sich etwas Besseres einfallen lassen.
»Ich bin noch nie in meinem Leben in der Toskana gewesen«, sage ich, »und trotzdem glaube ich daran, dass es sie gibt.«
»Tatsächlich?«, sagt Opa.
»Ja.«
»Und du bist dir da sicher?«, fragt Opa.
Was soll denn das jetzt?
»Vielleicht«, sagt Opa, »hat jemand sich die Toskana nur ausgedacht. Und der erzählt einem anderen davon und der wieder einem anderen. Und so ist die Sache bei dir gelandet.«
»Und im Atlas«, sage ich.
»Genau.«
Ich verstehe noch nicht so recht, worauf er hinauswill. Aber interessant ist der Gedanke schon.
»Weißt du, Belle«, sagt Opa, »eigentlich wissen wir nichts mit Sicherheit.«
»Wie meinst du das?«
»Wenn ich dir erzähle, dass Oma im Krankenhaus liegt, wo ist sie dann deiner Meinung nach?«
»Im Krankenhaus natürlich.«
»Ja«, sagt Opa, »aber weißt du das auch tatsächlich?«
Allmählich verstehe ich Opa ein wenig. Und er setzt sogar noch eins drauf.
»Siehst du die Tür dort?«, fragt Opa. Er zeigt auf die Toilette. »Weißt du, was dahinter ist?«
»Die Toilette«, sage ich.
»Woher weißt du das?«
»Ich bin da schon tausendmal gewesen.«
»Das stimmt«, sagt Opa. »Aber kannst du dir sicher sein, dass die Toilette auch jetzt noch dort ist?«
»Wie bitte?«
»Woher weißt du, dass nicht drei Heinzelmännchen durch eine geheime Luke gekrochen sind und vorhin heimlich die Toilette geklaut haben?«
»Ich kann gehen und nachsehen«, sage ich.
»Aber dann stellen sie sie schnell wieder zurück«, sagt Opa.
Ich verstehe, was Opa meint. Trotzdem ist es Unsinn. Ob er selbst daran glaubt?
»Opa?«
»Ja, liebe Belle.«
»Glaubst du an die Toskana?«
»Aber ja, liebe Belle.«
»Na also!« Wenn ich mit Opa über Unsinn plaudere, darf ich ruhig mal ein Ausrufezeichen verwenden. Das ist völlig in Ordnung.
Opa sitzt da und lacht.
Ich muss auch ein bisschen lachen.
Opa ist so nett.
»Aber ich bin ja auch da gewesen«, sagt Opa. »In der Toskana.«
Opa bringt mich wirklich zum Lachen.
Ich sage, bestimmt wären auch schon Menschen im Himmel gewesen. Das finden wir alle beide sehr lustig.
WEINEN
»Belle.«
Jani ist wach. Halb wach. Seine Augen sind halb offen.
»Grüß dich, Jan«, sage ich.
Er schnappt nach Luft. Wie ein Fisch. Er will reden.
»Ich bin da gewesen«, sagt Jani.
»Wo?«
Wenn man halb wach ist, dauert es besonders lang, Worte zu suchen. Und zu finden. Mich stört das nicht. Ich habe keine Eile.
»Im Himmel«, sagt Jani.
Wieso redet er immer nur vom Himmel? Ich will lieber über drei Heinzelmännchen in einer geheimen Luke reden. Aber dazu hat Jani bestimmt keine Lust. Und Jani ist ein Stück ärmer dran als ich. Also ist Jani der Boss.
»Wie war es?«, frage ich.
»Ich gehe hin«, sagt Jani.
»Jetzt?«
»Nein, nachher.«
Ich finde das Gespräch sehr dumm. Man kann besser an die Toskana glauben als an den Himmel. Um dorthin zu dürfen, muss man wenigstens nicht tot sein. Aber Jani ist der Boss.
»Wieso denkst du das?«, frage ich. Insgeheim weiß ich schon, was er sagen wird. Ich will nur hören, ob er sich auch traut.
»Ich sterbe«, sagt Jani.
Er traut sich. Trotzdem erschreckt es mich. Weil ich weiß, dass Jani recht hat.
»Ach was«, sage ich. »Du bist noch zu jung zum Sterben.«
Jani ist ganz lange still. Ich bin mir nicht sicher, ob er Worte sucht oder ob er jetzt halb schläft, anstatt halb wach zu
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