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Der Himmel kann noch warten

Der Himmel kann noch warten

Titel: Der Himmel kann noch warten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gideon Samson
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sein.
    Dann sagt er: »Es ist nicht schlimm.«
    »Was nicht?«
    »Dass ich sterbe.«
    Was für ein blödes Mistgespräch ist das hier? Und dieser Jani ist ja total blöd. Wieso
nicht schlimm?
Sterben ist sehr wohl schlimm! Was bildet er sich ein! Nur weil ihn dieser dumme Himmel erwartet, darf er einfach mal so sterben? Lächerlich! Es macht mich richtig wütend. Die Ausrufezeichen schwirren mir durch den Kopf. Aber Jani ist der Boss. Ich darf mir nichts anmerken lassen. Das wäre für ihn nicht schön.
    »Viel Spaß im Himmel«, sage ich. Wie dumm sich das anhört! (Ausrufezeichen.) Aber mir fällt gerade nichts Besseres ein.
    Jani antwortet nicht. Sein Bett knarrt auch nicht. Ich schaue ihn immer weiter an. Er atmet schwer. Man kann sehen, dass er wieder schläft. Und hören.
    Eine halbe Stunde später kommt Harry und fummelt an Janis Infusion herum. Harry nickt mir zu. Dieses Nicken bedeutet: »Tut mir leid, Belle, aber mit Jani wird es wohl nicht mehr werden.« Ich nicke zurück. Das ist wohl das Beste.
    Direkt nach dem Essen kommen der Mann mit dem Schnurrbart und die Frau mit dem Rock. Sie gucken fromm. Mit Tränen in den Augen. Jani hat nichts gegessen. Er schläft schön weiter. Er wird aus dem Zimmer gefahren. Der Mann mit dem Schnurrbart und die Frau mit dem Rock gehen hinterher.
    Ich bin wieder allein.

    Eine Erinnerung.
    Ich war zehn. Schon ein paar Monate. Nina fragte jeden Tag irgendwas über Papa.
    »Ist dein Vater wieder zurück?«
    »Nein.«
    »Wann hast du ihn das letzte Mal gesehen?«
    »Das weißt du doch.« Ich hatte Nina erzählt, dass Papa vorbeigekommen war. Während Mama Einkäufe machte. Ich bereute so sehr, was ich damals gesagt hatte. Vielleicht war Papa ja fürchterlich böse und wollte nichts mehr mit mir zu tun haben.
    »Willst du ihn denn sehen?«, fragte Nina.
    Natürlich wollte ich das. Dann würden wir alle beide Entschuldigung sagen. Und dann wäre es wieder gut. Aber Papa kam nicht mehr vorbei. Und ich wusste nicht, wo er wohnte.
    »Er kauft immer bei uns im Supermarkt ein«, sagte Nina.
    »Wirklich?«
    Nina nickte. »Meine Mutter hat ihn schon drei Mal gesehen.«
    Wir gingen hin. Zu zweit. Mein Herz hämmerte wie verrückt. Was sollte ich sagen, wenn ich ihn sah?
    Nach einer Stunde vor dem Supermarkt meinte ich, er würde bestimmt nicht mehr kommen. Nina hielt das für Unsinn. Sie sagte, alle Leute gingen jeden Tag einkaufen. Und dann entdeckte ich ihn. Er lächelte. Das gefiel mir gar nicht.
    »Geh hin!«
    »Er sieht mich auch so.«
    »Jetzt geh zu ihm hin!«
    Papa schloss sein Rad irgendwo an. Ich kannte das Fahrrad nicht. Er ging zum Eingang des Supermarkts. Geradewegs auf mich zu.
    »Grüß dich, Pa.«
    Er erschrak fürchterlich. Sein Lächeln verschwand.
    »Bist du böse?«, fragte ich.
    »Nein, Prinzesschen. Du?«
    Ich schüttelte den Kopf und sagte Entschuldigung. Entschuldigung für die dummen Dinge, die ich gesagt hatte.
    »Ist nicht schlimm«, meinte Papa. »Kommst du mit mir mit? Dann stelle ich dich jemandem vor.«
    Nina lief nach Hause und Papa und ich gingen in den Supermarkt. Wir kauften lauter Sachen, die wir früher nie im Haus hatten. Schokoflocken für aufs Brot. Ein Diätmüsli. Anschließend durfte ich hinten aufs Rad.
    »Es ist nicht weit«, sagte Papa und hängte die Einkäufe an den Lenker.
    Ich schlang meine Arme von hinten um ihn. Meine Haare wehten im Wind. Ich beschloss, dass ich Papa nicht mehr hasste.

    Es ist dunkel. Es ist Nacht. Ich bin immer noch allein.
    Es ist gemein! (Ausrufezeichen.) Es ist gemein, dass ich hier allein und krank in diesem blöden Krankenhaus liege!(Ausrufezeichen.) Dass Oma in einem anderen Krankenhaus liegt! (Ausrufezeichen.) Dass Papa und Renate in die Toskana fahren! (Ausrufezeichen.) Dass Mama so dumm tut! (Ausrufezeichen.) Dass Mek und Brie beste Freundinnen sind! (Ausrufezeichen.) Und dass dieses Plappermaul von Jan oder Jani es
nicht schlimm
findet, dass er stirbt! (Ausrufezeichen.) Es ist gemein, dass er stirbt!!! (
Drei
Ausrufezeichen.)
    Ich bin so wütend! Ich muss weinen. Und ich weiß noch nicht einmal, weshalb. Vielleicht, weil ich wütend bin. Ich kann nicht mehr aufhören zu weinen. Ich will auch gar nicht aufhören.
    Da ist die liebe Aisha. Jetzt würde ich gern aufhören. Aber es geht nicht mehr.
    »Belle-Schatz«, sagt Aisha.
    Ich komme mir so blöd vor!
    »Weine nur, lieber Schatz.«
    Pfui Teufel noch mal! Ich will nicht weinen! Ich will keine Ausrufezeichen in meinem Kopf! Ich will nicht, dass Jani stirbt!

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