Der Himmel so fern
so leicht, sich etwas in den Kopf zu setzen. Zum Beispiel, dass das Leben mit einem Hund viel schöner wäre, dass sich alles ändern würde, wenn ich nur einen kleinen Hund hätte, um den ich mich kümmern konnte. Mein kindlicher Traum von einem Hund verwandelte sich in eine fixe Idee, und über mehrere Jahre war ich wie besessen von diesem Wunsch. Ich zeichnete Hunde, ging mit dem Nachbarshund Gassi, wenn ich es durfte – obwohl der stank und überhaupt nicht süß war –, ich sammelte Bilder in Zeitungen und auf Ansichtskarten, klebte sie in Hefte, machte Collagen mit niedlichen kleinen Hunden in Blumenkörben und mit Rosetten um den Hals, mit Hunden, die hinter Bällen hersprangen und die süß schlafend auf einem Seidenkissen lagen. Wenn ich nur selbst einen bekäme, würde alles gut werden. Da war ich mir sicher.
»Lieber, lieber Gott, kann ich nicht bitte einen kleinen Hund bekommen?« Ich wiederholte meinen Wunsch, der mit der Wirklichkeit kollidierte, unzählige Male. »Mama hat nein gesagt. Sie sagt, dass sie es nicht schafft, sich um ihn zu kümmern, aber das tue ich doch selbst. Ich habe es ihr versprochen, aber sie glaubt mir nicht. Sie meint, dass es doch wieder an ihr hängenbleibt, mit dem Hund rauszugehen, wenn es regnet. Das ist nicht wahr. Ich habe keine Angst vor Regen. Wenn ich einen Hund hätte, würde ich ihn bei jedem Wetter ausführen. Wirklich. Sogar wenn es regnet. Gott, wenn du meine Gedanken lesen kannst, dann weißt du, dass das stimmt. Du weißt, dass ich nicht lüge.«
So sprach ich mit ihm, gleichzeitig sammelte ich meine Bilder, sortierte sie und bewahrte sie auf. Sofia durfte sie anschauen, sie stand neben mir und sah mit ihren großen runden Kulleraugen zu, während ich feierlich in den Heften blätterte. Einmal war plötzlich ein Bild kaputt. Zwei kleine Welpen saßen in einem Korb und sahen mit feuchten Augen in die Kamera. Es gehörte nicht zu meinen schönsten Exemplaren, eigentlich mochte ich Boxer nicht besonders, doch jetzt war es kaputt, und das war Sofias Schuld. Mama kam angerannt, als sie in der Küche die Schreie meiner Schwester hörte, während ich sie verdrosch. Ich wurde ausgeschimpft. Warum ich? Dabei hätte ich ihr doch leidtun müssen.
»Wenn ich einen Hund hätte, wäre alles anders«, betete ich am Abend. »Auch Mama wäre anders. Lieber guter Gott, wenn du mir hilfst, dass ich einen Hund bekomme, helfe ich dir auch, wobei du willst. Und ich räume auch mein Zimmer auf, jeden Freitag. Ohne dass Mama etwas sagen muss. Und ich gebe dem Hund zu fressen. Obwohl Mama das Futter kaufen muss. Ich habe ja kein Geld, nur ganz wenig, das, was ich von Papa bekommen habe, aber das soll ich sparen, hat Mama gesagt.«
Aus dem Hund wurde nichts, und schlussendlich ebbte mein Interesse ab. Sofia erbte meine Bilder. Sie klebte sie auf große Pappen und hängte sie über ihrem Bett auf, dann gab sie allen Hunden Namen und sagte ihnen der Reihe nach gute Nacht, bevor sie am Abend das Licht ausmachte.
Ich fand sie ziemlich albern. Es waren doch nur Bilder.
Wäre ich noch am Leben gewesen, dann hätte ich wohl gesagt, dass dies ein richtiger Scheißtag gewesen ist. Wahrscheinlich hätte ich mich mit einem Glas Wein aufs Sofa verkrochen und ein richtig schnulziges Fernsehprogramm angestellt, um endlich das Grübeln in meinem Kopf abzustellen. Oder ich hätte mich in die
Financial Times
vertieft, Tabellen, Analysen und Performances verfolgt, bis mich die Müdigkeit übermannt und ein oder zwei Schlaftabletten ihren Job getan hätten. Jetzt waren weder eine Flasche Wein noch ein Fernseher oder die Wirtschaftsnachrichten in greifbarer Nähe. Stattdessen befand ich mich in einem Raum zwischen den Welten, in Begleitung einer diffusen Lichtgestalt, die von sich sagte, sie sei ein Engel, und die mich soeben für tot erklärt hatte. Das war mehr als ein Scheißtag, das war eine Katastrophe.
Meine Versuche, endlich Schlaf zu finden, hatte ich aufgegeben. Offenbar war für den Zustand, in dem ich mich befand, kein Ausruhen vorgesehen, und der Gedanke an Mikael machte mich immer verzweifelter, wie sollte ich da Ruhe finden? Was er jetzt wohl tat? Ob er noch wach war? Vielleicht auf mich wartete?
Am Ende konnte ich nicht anders, als die Augen zu öffnen und wieder aufzustehen, um diese Bilder loszuwerden. Arayan, der Schutzengel, wie er sich nannte, war an meiner Seite. Mit dem hellen Schein, der ihn umgab, wurde der Raum um uns weiter, ansonsten war die Umgebung einfach nur
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