Der Himmel so fern
Mühe, ihm zu folgen, und nickte brav, während er mir noch mehr von seinen Reiseplänen erzählte, von der Route und den Orten, an denen Stellan und er anlegen würden, und das tat er mit Enthusiasmus. Bis ich ihn unterbrach.
»Ist Stellan auch Single?«
»Machst du Witze? Ich glaube, seine längste Beziehung dauerte zwei Monate.«
Er bemerkte nicht einmal das kleine Wörtchen »auch« in meiner Frage, und die Stahlkugel in meiner Brust fühlte sich mit einem Mal eiskalt an. Mikael sprach nun nicht mehr von seinen Reiseplänen, sondern erläuterte das Rudermaterial und die Funktionsweise von Rollsegeln. Ich hörte kaum, was er sagte, lächelte nur verkrampft, um die Panik, die in mir wuchs, zu verbergen. Schließlich wurde er still und ließ den Spill los, an dem er sich festhielt. Dann schloss er mich in die Arme und hob mich hoch, so dass meine Füße über dem Holzboden baumelten, als wäre ich ein kleines Mädchen.
»Stellan freut sich darauf, in jedem Hafen eine Frau zu küssen. Ich fände das auch ganz reizvoll. Wenn es immer dieselbe wäre …« Er sah mir in die Augen und setzte mich wieder ab. »In diesen Plänen ist kein Platz für Freundinnen, Rebecka. Das ist dir wohl klar, oder?«
Ich zog die Augenbrauen hoch. Freundin …
moi?
»Aber wer weiß, vielleicht muss ich ja auch meine Pläne ändern … Du bringst mich ganz schön in Schwierigkeiten, Rebecka.« Und dann lachte er und kitzelte mich am Kinn. Ich lachte auch. Vor Erleichterung. Und gleichzeitig voller Angst, weil das, was er eben gesagt hatte, kein Fünkchen mehr bedeutete als ein koketter Augenaufschlag in einer Bar.
»Ich kann hier nicht länger bleiben, ich muss zu Mikael, nach Hause.«
»Du bist frei zu gehen, wohin du willst.«
»Und wie?«
»Du musst es dir nur vorstellen.«
Es war am Anfang der Nacht, genauer gesagt zweiundzwanzig Minuten nach eins, als er von einem durchdringenden Geräusch erwachte. Um diese Zeit geweckt zu werden ist brutal, es ist mitten in der ersten Tiefschlafphase. Desorientiert blinzelte er mit den Augen, während das Geräusch noch einmal erklang. Die Türklingel.
»Wer zum Teufel …« Er setzte die Füße auf den Holzboden. Dann zog er den Morgenmantel vom Türhaken und warf ihn über. Ob Rebecka die Schlüssel vergessen hatte? Eigentlich war das nicht ihre Art, Schusseligkeit konnte er ihr wirklich nicht vorwerfen. Aber geweckt zu werden ist unangenehm. Er war fast an der Tür angekommen und hatte sich gerade einen säuerlichen Kommentar zurechtgelegt, als es zum dritten Mal läutete. »Ja, ja, schon gut, ich komme!« Er schloss auf und drückte die Klinke hinunter. Das Licht aus dem Treppenhaus blendete ihn, so dass er instinktiv mit der Hand vor die Augen fuhr. Trotzdem erkannte er gleich, dass da nicht eine, sondern zwei Personen vor der Tür standen.
»Mikael Jolin?«
»Ja.«
»Dürfen wir eintreten?«
»Was ist denn los?«
»Es geht um Ihre Ehefrau, Rebecka Jolin. Wir haben leider schlechte Nachrichten für Sie. Würden Sie uns bitte hineinlassen?«
Mikael trat einen Schritt zur Seite. Seine Schläfrigkeit war mit einem Schlag wie weggeblasen, und sein Mund war trocken, als er ansetzte zu sprechen. »Was ist geschehen? Was ist mit Rebecka? Hatte sie einen Unfall?«
Die eine Beamtin, eine hochgewachsene, blonde Frau mit Pferdeschwanz, reckte sich und drückte ihr Kinn etwas nach unten, als suchte sie Halt für ihre Stimme.
»Es tut uns sehr leid, aber Ihre Frau ist tot. So wie es im Moment aussieht, hat sie Selbstmord begangen. Sie hat sich an der Fjällgata in Södermalm in die Tiefe gestürzt.«
»Nein, nein …« Mikael lächelte die Besucher, die mit ernsten Mienen vor ihm standen, völlig verwirrt an. »Das ist nicht wahr. Da liegt ein Missverständnis vor. Rebecka arbeitet, es wird spät heute. Ein Geschäftsessen …«
»Können wir uns vielleicht irgendwo setzen?« Der andere Polizist legte Mikael behutsam eine Hand auf die Schulter. Er sprach sehr einfühlsam, doch die Gesichtszüge des Beamten waren wie eingefroren.
Sie folgten ihm durch den Flur und traten in das dunkle Wohnzimmer, in das nur das Licht der Laternen aus dem Park gegenüber durch die zwei hohen Fenster fiel. Er drückte auf einen Lichtschalter, und ein paar kleinere Lampen überall im Zimmer gingen an. Die Beamtin führte Mikael zu einem der Sessel.
»Im ihrem Auto lag ein Brief. Ihr Name steht auf dem Kuvert.«
Sie reichte ihm einen weißen Umschlag, auf dem sein Name in deutlichen Druckbuchstaben
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