Der Himmel so fern
Hutablage zu nehmen, seine schwarze Lieblingsmütze, wegen der ich ihn so aufgezogen hatte. Er stellte sich vor den Spiegel und setzte sie auf. Jacke und Schuhe hatte er bereits an, und mit ein paar geübten Handgriffen verstaute er Portemonnaie, Handy und Schlüssel in seinen Taschen. Dann öffnete er die Wohnungstür und löschte das Licht aus, bevor er die Tür hinter sich zumachte und abschloss. Und ich war wieder einmal mutterseelenallein.
»Das heisst, ihr habt euch schon ein paarmal getroffen?«
»Dreimal und auf der Beerdigung. Aber wir haben schon oft miteinander telefoniert.«
»Und … was ist das für ein Gefühl?« Stellan suchte nach den passenden Worten.
»Gut.« Mikael nickte nachdenklich. »Doch, es fühlt sich gut an, irgendwie vertraut.«
»Aber ihr seid euch vorher nie begegnet?«
»Nein. Die beiden hatten keinen Kontakt.«
»Und warum nicht?«
»Das lag an Rebecka. Sie hatte mit allem, was mit ihrer Familie und ihrer Herkunft zu tun hatte, abgeschlossen. Nie ein Wort darüber verloren. Und ich war so blöd, nicht weiter zu fragen.«
»Was sagt denn Sofia zu dem, was geschehen ist?«
»Sie ist traurig. Ist ja klar. Wenn sie erzählt, klingt es, als hätte sie ihre Schwester lange Zeit vermisst.«
»Es muss ja ein entsetzliches Gefühl sein, wenn jemand einfach so die Verbindung abbricht. Nichts mehr mit einem zu tun haben will.« Stellan räumte die Teller ab, ließ jedoch die Weingläser stehen. »Bist du eigentlich schon satt?«
»Machst du Witze? Ich glaube, die Pasta bahnt sich schon einen Weg durch meinen Bauchnabel. Es war sehr lecker. Wenn ich kochen könnte, würde ich dich um das Rezept bitten.«
Er schmatzte genussvoll. Der Geschmack von Muscheln, Krabben, Knoblauch und Weißwein lag ihm noch auf der Zunge. Eine gelungene Kombination. Stellan hatte sich schon immer fürs Essen begeistert, und in den vergangenen Jahren hatte er seine Kochkünste laufend weiter verfeinert. Nur selten konnte man im Restaurant so gut essen wie bei Stellan daheim. Als sie ihre Weltumseglung planten, hatte es einige Diskussionen um den Proviant gegeben. Mikael hatte die praktische Seite vertreten, alles sollte gut zu verstauen und einzulagern sein. Die Qualität des Essens maß er daran, wie viel Platz es einnahm. Stellan hingegen hatte den Standpunkt vertreten, dass er sich auf ihrer Reise als tiefgefrorenes Produkt nur Kaffee vorstellen könnte. Sie hatten fast ein bisschen gestritten über dieses Thema. Am Ende kamen sie um den Kompromiss herum.
Stellan setzte sich wieder. Er griff nach dem Wein, einem Chardonnay, der so blumig und ausgereift war, dass Mikael nach dem ersten Schluck ins Schwärmen geriet und Stellan nachschenkte.
»Aber da … wie soll ich es sagen … läuft nichts zwischen dir und Sofia …?«
»Zwischen Sofia und mir?« Mikael sah ihn mit großen Augen an.
»Na ja, ich dachte … Weil ihr doch so gern eure Zeit miteinander verbringt und so.«
»Das ist doch völlig absurd.« Mikael schüttelte den Kopf.
»Schon möglich, aber …«
»Was meinst du mit ›aber‹?«
»Ich hoffe, dass du – na ja – dir nicht selbst Fesseln anlegst wegen einer anderen Person. Das Glück ist so schnelllebig. Manchmal taucht es plötzlich auf, und wenn man die Chance nicht ergreift, ist sie im nächsten Augenblick wieder fort.«
»Ja, vielen Dank, ich weiß das …«
»Ich spreche nicht von Rebecka.«
»Aber ich.«
»Wart ihr denn glücklich miteinander?« Während er die Frage formulierte, sah er Mikael vorsichtig an. Der nahm einen Schluck Wein und ließ ihn eine Weile in seinem Mund, bevor er schluckte.
»Das ist nicht so einfach«, antwortete er widerwillig. »Rebecka war in vielerlei Hinsicht schwierig. Sie hatte ihre kleinen Geheimnisse … und ich wahrscheinlich auch.«
Stellan saß schweigend da und wartete offensichtlich auf eine Fortsetzung. Mikael richtete sich auf. Stellan war ein guter Freund, sein bester, doch dieses Thema war ihm einfach zu persönlich. Außerdem war Rebecka jetzt tot, er hatte kein Recht, sie bloßzustellen. Und wie sollte Stellan das verstehen, der Rebecka nie wirklich gekannt hatte? Zu Beginn hätte die Beziehung beinahe die Freundschaft zu Stellan gekostet, und dass Stellan sich distanziert hatte, war nur verständlich. Rebeckas betont reserviertes Verhalten Stellan gegenüber war allerdings unerklärlich. Sie behandelte ihn mitunter mit einem Desinteresse, dass Mikael es geradezu unverschämt fand, und wenn er sie darauf ansprach,
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