Der Himmel so fern
verkneifen.
»Worüber lachst du?«
»Entschuldige, mir schoss nur gerade so ein blöder Gedanke durch den Kopf. Was war das deiner Meinung nach, was du die Last nennst?«
»Keine Ahnung. Vielleicht diese 21 Gramm …«
» 21 Gramm?«
»Ja, ich habe irgendwo gelesen, dass der menschliche Körper nach dem Tod um 21 Gramm leichter wird. Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber man kann sich natürlich fragen, was dieses Gewicht bedeutet.«
Mikael suchte nach einer Antwort, doch da ihm nichts einfiel, sprach Sofia weiter.
»Ich habe einer Kollegin von diesem Gefühl erzählt, wie es war in diesem Zimmer, und sie sagte, sie hätte so etwas auch schon erlebt. Dass es … die Seele sei, die sich frei mache.« Was sie da aussprach, war ihr offenbar etwas peinlich.
Mikael schluckte. »Wer weiß«, er versuchte, unbeschwert zu klingen. »Auf jeden Fall hört sich alles nach einem sehr friedlichen Tod für die alte Frau an.«
»Ja.« Sofia klang nicht länger bedrückt. »In der Tat. Und ich freue mich ehrlich gesagt sehr für sie. Es konnte nur noch besser werden.«
Es dauerte ziemlich lange, bis er ins Bett gehen konnte, so aufgewühlt war er. Das Gespräch mit Sofia hatte ihn gefreut, eigentlich tat es ihm immer gut, mit ihr zu sprechen – und dies in letzter Zeit immer häufiger –, doch nun spürte er auch eine Unruhe, die sich wie kalte Schauer über Arme und Beine ausbreitete. Er wollte diese Unruhe nicht fühlen, hatte nicht die geringste Lust, sich mit ihr bekannt zu machen oder zu fragen, was sie wolle. Stattdessen hatte er sich ein Bier aus dem Kühlschrank geholt und sich vor den Fernseher gesetzt. Eine Stunde lang hatte er sich von einem Fußballspiel ablenken lassen, aber jetzt war es spät, und noch mehr trinken wollte er nicht.
Als er in seinem Bett lag, tauchten die Gedanken doch wieder auf. Rebecka nahm wieder an seiner Seite Platz. Er konnte sie nicht verstehen, aber er spürte, dass sie unzufrieden war. Obwohl ihm klar war, dass ihre Anwesenheit eigentlich ein Produkt seiner Phantasie war und vielleicht des schlechten Gewissens, so wurde er das Gefühl nicht los, dass sie sich bei ihm befand.
»Verdammt, dann sag’ doch einfach deine Meinung!«, sagte er mit einem Mal laut. »Ich halte das nicht aus. Liegt es an Sofia? Bist du eifersüchtig? Kapierst du nicht, wie abwegig das ist? Ich bin in unserer ganzen Ehe treu wie ein Hund gewesen, aber jetzt bin ich nicht mehr mit dir verheiratet. Und weißt du, warum? Weil du die Scheidung eingereicht hast. Für immer!« Er verstummte, etwas geniert über seinen Gefühlsausbruch. Vielleicht sollte er sich jemanden zum Reden suchen? Sein Hausarzt hatte ihm das kürzlich vorgeschlagen, als er bei ihm war, um die Krankschreibung zu verlängern. Vielleicht hatte er recht. Ganz ausgeglichen war er sicher nicht, wenn er mit seiner toten Ehefrau schimpfte.
Mikael griff nach einem Buch vom Nachttisch. Es war ein Krimi, den er in letzter Zeit sicherlich schon zehnmal begonnen hatte. Er kam einfach nicht vorwärts. Nach drei Seiten legte er ihn wieder auf die Seite. Der bestialische Mord, den er nun zum elften Mal studieren durfte, konnte ihn auch heute nicht fesseln. Er seufzte und streckte sich nach dem Schalter seiner Nachttischlampe. Er musste jetzt schlafen, morgen würde er wieder ins Büro gehen. Sein Chef hatte ihm angeboten, Teilzeit zu arbeiten, bis er sich stark genug fühlte, wieder rund um die Uhr da zu sein. So lief es schon seit ein paar Wochen, er hatte ein paar Verträge abschließen können und der Firma einige hunderttausend Kronen verschafft. Er versuchte, sich zu freuen, froh darüber zu sein, dass ihm seine Arbeit noch immer gut gelang, doch gleichzeitig war die Leere, die er spürte, größer als je zuvor. Das Lächeln und die vertrauenswürdige Miene, die er seinen Kunden präsentierte, war ebenso echt wie ein Diamantring aus einem Kaugummiautomaten. Er hätte Rebecka gebraucht, um sich zusammenzureißen – das war paradox und zweifellos komisch. Wenn er über die Arbeit jammerte, sagte sie am liebsten mit eiskalter Stimme, dann solle er doch kündigen und sich etwas anderes suchen. Sie wusste, dass es zog, wenn sie seine Passivität ansprach. Üblicherweise endeten diese Gespräche damit, dass er selbst seine Arbeit verteidigte und Gründe aufzählte, die dafür sprachen zu bleiben. Hinterher fühlte er sich veralbert. Veralbert von seiner eigenen Unzufriedenheit.
Als er das Klicken des Lichtschalters hörte, wurde es dunkel im
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