Der Himmel so fern
schwieg, und in diesem Schweigen verharrten wir eine lange Zeit, so kam es mir jedenfalls vor. Nach und nach begann ich stotternd, von dem Besuch zu berichten. Von mir, meiner Familie, von meinem Vater – Ulf –, dem Künstler, dem Lebemann und Charmeur. Die Erinnerungen, die ich verloren geglaubt hatte, oder mindestens für alle Zeit begraben, kamen nach und nach zum Vorschein, so wie scharfkantige Steine, auf einer klappernden, rostigen Kette aufgefädelt.
Arayan hörte mir stundenlang zu. Still und ohne einen Kommentar abzugeben, aber dennoch mit einer Empathie, die so stark war, dass ich sie fast hätte berühren können. Ich lag da in seinen Armen, an diesem dunklen Ort ohne Zeit, und weinte, bis meine Tränen versiegten.
Als ich aus der Ferne Birger und Anna sah, wie sie miteinander sprachen, blieb ich wie angewurzelt stehen. Auch Arayan hielt an und legte seine Hand auf meine Schulter.
»Ich weiß nicht …«, sagte ich und sah skeptisch hinüber zu den beiden. Ich hatte zwar beschlossen, wieder zurückzukehren, doch enthusiastisch war ich wirklich nicht. Mit Birger hatte ich kein Problem, er hatte mich immerhin ins Schlafzimmer meines Vaters begleitet. Er hatte alles gehört, alles gesehen, und er war derjenige gewesen, der mich aufgefangen hatte, als mir die Kräfte schwanden. Mit Anna war es etwas anderes. Unsere letzte Begegnung hatte kein gutes Ende genommen.
»Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist«, meinte ich ohne Überzeugung. »Anna war sehr sauer. Und ich auch.«
Arayan antwortete nicht, aber ich konnte spüren, wie die Wärme, die von seiner Hand ausging, sich in mir verteilte, und fast willenlos ließ ich mich weiterführen.
Als wir vor Anna und Birger standen, ließ er mich los und verschwand. Ich hätte ihn am liebsten zurückgerufen, doch ich riss mich zusammen. Stattdessen stand ich da und starrte auf meine nackten Füße. Keiner sagte ein Wort, und nach einer Weile schielte ich vorsichtig hinauf zu Birger. Er erwiderte meinen Blick und zwinkerte mir im Vertrauen mit einem Auge zu.
»Schön, Sie hier wieder zu sehen. Wie geht es Ihnen?« Seine heisere Stimme klang freundlich, während Anna überhaupt nicht reagierte.
»Na ja, … ich hatte sicher schon bessere Tage, aber im Großen und Ganzen ist es ganz gut, glaube ich.« Ich schluckte. »Bei Ihnen möchte ich mich noch bedanken«, brachte ich leise hervor. »Ich war froh, dass Sie bei mir waren.«
Birger nickte und lächelte zurückhaltend. Im Augenwinkel sah ich Annas fragenden Gesichtsausdruck, und so nahm ich an, dass Birger ihr nichts von unserem gemeinsamen Ausflug erzählt hatte.
Sie räusperte sich. »Ich bin auch froh, dass Sie wieder da sind. Ich hatte schon Angst, dass Sie uns endgültig verlassen hätten.«
Ich musste lachen, ein wenig zu laut. »Nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich wünschte, ich könnte es«, antwortete ich mit einer Heiterkeit, die für diesen Moment eigentlich völlig unpassend war. »Aber das scheint nicht so einfach zu sein.«
Anna ging auf meinen Kommentar nicht ein. »Ich habe viel an Sie gedacht«, sagte sie stattdessen, und ihre Stimme klang gefasst, wurde aber leise, als mein Blick sie traf. »Und daran, wie dumm ich gewesen bin, als wir uns das letzte Mal gesehen haben.«
Ich wand mich. Konnten wir uns nicht einfach gesittet zunicken und damit die Sache begraben? Anna schien das anders zu sehen.
»Welches Recht habe ich schon, mir ein Urteil anzumaßen«, fragte sie rhetorisch.
Ich seufzte, wenn sie das Problem breittreten wollte, hatte ich keine Chance. »Vielleicht hatten Sie recht«, antwortete ich und bemühte mich, ganz aufrichtig zu klingen. »Vielleicht war das, was ich getan habe, wirklich egoistisch.« Schnell warf ich einen Blick auf Birger. Hatte Anna ihm von unserer Auseinandersetzung erzählt? Es machte nicht den Eindruck. Birger schien ahnungslos zu sein und sah mal zu mir, mal zu Anna.
»Worum geht es hier eigentlich?«, fragte er. »Haben Sie sich gestritten?«
Ein paar Sekunden war es mucksmäuschenstill.
»Ich habe Anna erzählt, wie ich gestorben bin«, erwiderte ich schließlich.
»Und ich habe Dinge gesagt, die ich nie hätte sagen dürfen«, fügte Anna hinzu.
»Ja, Sie wissen ja bereits, was passiert ist.« Ich nickte Birger zu. »Ich habe mir das Leben genommen.«
Birger schob seine Unterlippe vor und rümpfte die Nase. »Dann sind wir schon zwei«, meinte er. »Ich habe viele Jahre daran gearbeitet.«
»Es gibt einen Unterschied. Sie waren
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