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Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Ingemarsson
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Notizen zu machen und die Ergebnisse der Besprechung zusammenzufassen, komm’ doch einfach vorbei, wenn du magst.«
    Ich nickte. »Ja, vielleicht.«
    Der Tag wurde anstrengend, und ich lüge nicht, wenn ich sage, dass ich währenddessen nicht einen Gedanken an Adam verschwendet habe. Ich habe mich ganz auf meine Kunden und meine Aufgaben konzentriert. Genau deshalb war ich ja so erfolgreich, weil ich in jeder Lage nur meine Kunden im Visier hatte, unter welchen Voraussetzungen auch immer. Nie wurde jemand von mir enttäuscht.
    Als ich mich nach dem Abendessen erhob, den Rock glattstrich und zum Abschied meine kühle Hand ausstreckte, erlaubte ich mir zum ersten Mal an diesem Tag, eine Spur von Müdigkeit zu fühlen. Im Taxi auf dem Weg zum Hotel lehnte ich meinen Kopf an die Scheibe und schloss die Augen. Vermutlich nickte ich ein, denn als der Chauffeur mitteilte, dass wir da seien, hatte ich an den Weg überhaupt keine Erinnerung mehr.
    Adam saß in der Nähe der Bar, genau wie er es gesagt hatte. Ich hatte eigentlich vor, ihm nur eine gute Nacht zu wünschen, vielleicht noch ein paar aufmunternde Worte unter Kollegen auszutauschen. Es war ein langer Tag gewesen. Er saß da tief versunken in seine Unterlagen, als ich an die kleine Bar trat, und er hob den Kopf nicht eher, bevor ich mich räusperte und mit dem Zeigefinger an einen Türpfosten klopfte. Adam freute sich sehr, mich zu sehen, und mein Vorsatz, direkt ins Bett zu gehen, kam abhanden, als er mich bat, sich zu ihm zu setzen.
    »Ich trinke einen Whisky«, sagte er und hob sein Glas, in dem die Eiswürfel klirrten. »
On the rocks
, offenbar eine transatlantische Unsitte, hab’ ich mir sagen lassen. Was möchtest du?«
    »Ich glaube nicht, dass … Ach was, ein kleiner Kognak wäre nicht schlecht.«
    Adam legte seine Unterlagen zur Seite und erhob sich, erstaunlich frisch und energiegeladen. Nach einem leisen Gespräch mit dem Barmann kam er zurück. Ich hatte mich im Sessel neben ihm niedergelassen. Die Bar war fast leer. Ein paar wenige Gäste saßen ein paar Meter entfernt. Sie waren im Begriff zu gehen, die Frau trank gerade den letzten Schluck aus ihrem Weinglas, während der Mann die Rechnung abzeichnete. Sie war elegant gekleidet, ein paar Jahre älter als ich, und hielt einen Trenchcoat über dem Arm, als sie die Bar verließen. Ihre französischen Gesprächsfetzen verhallten im Flur.
    Ich hatte derweil meinen Cognac bekommen und nippte vorsichtig. Im Hals brannte es, als ich schluckte. Dennoch widerstand ich dem Impuls, den Rest des Getränks auf einmal auszutrinken.
    »Wie war dein Meeting?« Ich schwenkte mein Glas und ließ die Flüssigkeit von Seite zu Seite schwappen.
    »Sehr gut. Der Kunde wollte in Russland investieren, aber ich konnte ihn davon abbringen. Mit dem fallenden Ölpreis ist das nicht mehr der Markt, für den er ihn hält. Er meinte von sich selbst, er sei ein Spekulant, aber schon bei der kleinsten Kursänderung wird er nervös. Dann ist der Versuch, in Russland nach Gold zu graben, nichts für ihn.« Adam lächelte. »Bist du müde?« Er hatte seine Papiere in der Tasche verstaut und machte nicht den Eindruck, als wolle er noch mehr Geschäftliches besprechen.
    »Ziemlich. Ich habe heute Nacht nicht besonders gut geschlafen.«
    »Ist etwas vorgefallen?«
    »Nein, das kommt vor.« Ich nahm noch einen Schluck. Es war verlockend, ihm von meinen Gedanken während der letzten Nacht zu erzählen. Wie ich wach gelegen und Mikaels Atmen zugehört hatte. Wie ich nach Strategien gesucht hatte, ihn zurückzugewinnen, weil er so unnahbar, so distanziert war. Aber ich hatte schon genug Persönliches preisgegeben. Es gab keinerlei Grund, mit Adam über Mikael zu reden und all die Zweifel. Dass er immer seltener zu Hause war, wenn ich von der Arbeit kam. Dass er immer öfter eigene Pläne hatte, ohne mich vorher zu fragen. Nicht dass wir so oft etwas zusammen unternommen hätten, die Zeit reichte selten dafür, doch mir fehlten seine Vorschläge, sein Optimismus und – ich schäme mich, das einzugestehen – sein enttäuschter Blick, wenn ich seine Vorschläge für eine Reise, einen Spaziergang, einen Restaurantbesuch oder einen Abend vor dem Fernseher abschmetterte. Wir hatten kein Wort darüber verloren, was sollte man schon sagen, doch ich verzweifelte langsam an seinem Desinteresse. In den letzten Monaten hatten wir uns bestenfalls guten Morgen gesagt, wesentlich seltener noch gute Nacht. Manchmal war mir, als könnte ich so etwas

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