Der Himmel so fern
nie durch und durch kennt. Der Unterschied war wohl der, dass er für immer die Hoffnung verloren hatte, es jemals zu können.
Sie waren von den harten Küchenstühlen aufgestanden und hatten es sich nun auf dem Sofa im Wohnzimmer gemütlich gemacht, das gleichzeitig Sofias Schlafzimmer war. Er musste an seine eigene Wohnung denken, wie er durch die vielen leeren Räume schritt und nicht wusste, wofür er sie eigentlich hatte. Bei Sofia zu Hause war jeder Zentimeter verplant, manchmal sogar mit doppelter Funktion. Nachts diente ihr das Sofa als Bett, und die Jacken und Mäntel teilten sich den Flur mit dem PC , der in einer Ecke stand. Melvins Zimmer, in das er vorher einen Blick geworfen hatte, hatte nicht mehr als sieben, acht Quadratmeter, und unter dem Bett waren die Spielsachen in einer großen Schublade verstaut, die er Mikael ganz stolz vorgeführt hatte. Jetzt schlief er schon seit einigen Stunden, und von der leisen Hintergrundmusik abgesehen war es in der Wohnung ganz still. Travolta hatte sich unter dem Couchtisch zusammengerollt und gab im Schlaf ein leises Schniefen von sich.
»Ich sollte jetzt gehen.« Mikael sah noch einmal auf die Uhr.
»Musst du?«
»Ja … Du musst doch morgen bestimmt auch früh raus?«
»Ich habe frei.«
»Und Melvin?«
Sofia musste lachen. »Da hast du recht, er ist früh auf den Beinen. Manchmal gelingt es mir, ihn in meinem Bett noch ein bisschen zum Schlummern zu bringen, aber dann bin ich meist selbst schon so wach, dass ich nicht mehr einschlafen kann. Obwohl er den Fernseher mittlerweile allein anstellen kann, und so löst sich manches Problem. Ich finde das zwar nicht die beste Lösung, aber um halb sieben an einem Samstagmorgen ist mir das auch mal egal.« Sie reckte sich nach dem Weinglas, das auf dem Tisch stand, und nahm einen Schluck. Es war fast leer. »Und was hast du morgen vor?«
»Ich?« Mikael überlegte. Hatte er etwas vor? »Keine Ahnung. Stellan möchte sich ein Boot anschauen, das ihn interessiert, und hat mich gebeten mitzukommen, aber ich weiß nicht genau, wann. Wahrscheinlich irgendwann am Nachmittag.«
Die Musik war aus, und die einzigen Geräusche waren das rasselnde Atmen des Hundes und ein leises Rauschen vom Wind am Fenster. Mikael reckte sich. Er sollte sich auf den Weg machen, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Da griff Sofia plötzlich nach seiner Hand.
»Ich weiß, dass es nicht richtig ist«, sagte sie. »Aber ich möchte dir trotzdem sagen, dass ich froh bin, dass wir uns kennengelernt haben.«
»Wir hätten uns früher kennenlernen sollen.«
»Ja, stimmt. Aber dann wäre es etwas anderes gewesen.«
Mikael erwiderte ihren Blick, und sie sahen sich schweigend an. Sie hatte recht, dachte er, es war verkehrt. Trotzdem beugte er sich zu ihr und ließ seine Lippen ihren Mund berühren. Sie unternahm nichts dagegen. Stattdessen schlang sie ihre Arme um seinen Hals und zog ihn näher zu sich. Mikael schloss die Augen und spürte die Wärme ihres Körpers, ihrer Brüste, die sich hoben, und die Zunge, die vorsichtig nach seiner tastete. Die Erregung kam aus dem Nichts und hatte ihn mit einem Mal voll im Griff. Eine ganze Weile ließ er sich von dem Gefühl übermannen, das dieser warme Körper in ihm auslöste, und als plötzlich Melvins Stimme erklang, kam sie ihm vor wie von einer anderen Welt. Sofia ließ ihn sofort los, und er selbst rutschte zurück auf seinen Platz. Er atmete schnell und fuhr sich instinktiv mit dem Handrücken über den Mund.
»Was tut ihr?« Melvin stand in seinem Schlafanzug in der Wohnzimmertür.
»Wir sitzen hier gemütlich und reden.« Auch Sofia war außer Atem, das hörte man. »Und umarmen uns …«, fügte sie hinzu, als ihr klar wurde, dass Melvin offenbar einiges mehr beobachtet hatte. »Willst du nicht einfach wieder ins Bett gehen und weiterschlafen, mein Kleiner?«
Melvin sah die beiden skeptisch an, dann streckte er die Hand aus und zeigte auf den Platz neben Mikael auf dem Sofa. »Wer ist diese Frau da?«, fragte er und starrte auf den leeren Platz. »Und warum sieht sie so traurig aus?«
Adam kam aus Kanada , und die schwedische Sprache machte ihm große Mühe, er sprach mit deutlichem Akzent. Seine Frau war Schwedin, eine erfolgreiche Wirtschaftsrechtlerin, hieß es, sie wohnten nun in Danderyd nach einigen Jahren in den USA und hatten zwei Söhne im Teenageralter. Von alledem hatte ich nicht die geringste Ahnung, als wir im Büro einander vorgestellt wurden. Er war mir sofort
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