Der Himmel so fern
Jacke selbst auf einen Bügel zu hängen.
»Schön, dass du da bist«, sagte sie lächelnd, ohne eine Spur von Nervosität. Vielleicht war er der Einzige, der daraus so eine große Sache machte? Sie war ja bereits mehrmals bei ihm zu Besuch gewesen, warum sollte er also nicht auch bei ihr sein?
»Ja, wirklich! Hier draußen hat man ja nicht gerade häufig zu tun.« Er biss sich auf die Lippe. Was sollte sie jetzt von ihm glauben? Dass er auf sie herabsah, weil sie in einem Vorort wohnte? »Ich finde es schön hier«, fügte er eilig hinzu. »Mir gefällt der Funktionalismus der Architektur.«
Sofia war in die Küche gegangen, und Mikael folgte ihr, Travolta dicht auf den Fersen. Auf dem Herd standen Töpfe, deren Inhalt Wärme und Düfte verbreitete, und Mikael genoss die Gerüche voller Erwartung.
»Melvin hat schon Abendbrot gegessen.« Sofia wies auf den Tisch, wo nur für zwei Personen gedeckt war. »Er wird auch sofort ins Bett abmarschieren, doch er war so neugierig, wer da zu Besuch kommt, deswegen durfte er ein kleines bisschen länger aufbleiben. Morgen ist ja Samstag, deshalb machen wir eine Ausnahme.«
In dem Moment erschien der Kleine in der Tür. Triumphierend hielt er ein blaues Rennauto mit gelben Flammen darauf in der einen Hand, in der anderen eine schwarze Kunststoffdose mit Antenne. »Das ist ferngesteuert«, erklärte er mit Kennermiene, aber als er das Fahrzeug auf den Boden setzte und die Antenne ausrichtete, passierte gar nichts.
»Oje, ich fürchte, da fehlen die Batterien.« Mikael war entsetzt. »Wie blöd von mir, daran habe ich nicht gedacht. Mir fehlt leider die Erfahrung, was Kinderspielzeug angeht. Meine Schwester hat eine Tochter und einen Sohn, doch sie wohnen in Schottland, daher sehe ich sie nur selten. Leider.«
Sofia hatte sich neben Melvin auf den Boden gesetzt und das Geschenk begutachtet. »Wir haben vielleicht welche«, sagte sie. »Mikael, kannst du mal in der oberen Schublade im Schrank nachschauen, ob wir die richtige Größe haben?«
Mikael hob das Auto vom Boden und öffnete das Batteriefach mit einem Küchenmesser. Er gab einen zufriedenen Laut von sich, als er die richtigen Batterien in der Schublade fand. Im Handumdrehen hatte er sie ins Auto und in den Sender eingelegt. Glücklich fuhr Melvin seinen Rennwagen unter den Küchentisch, sauste gegen die Wand, stieß zurück und verschwand dann aus der Küche. Sofia holte einen Korkenzieher heraus und öffnete die Flasche, die Mikael mitgebracht hatte.
»Ich habe auch Wein eingekauft«, sagte sie. »Aber deiner scheint der bessere zu sein.«
»Keine Ahnung … Es ist irgendein Italiener, ich wusste ja nicht, was du magst.« Es war ihm etwas peinlich. Sofias Einschätzung stimmte, das war ein sehr guter Wein. Sicherlich viel teurer als die Weine, die sie sonst kaufte.
»Italienischer Wein passt hervorragend.« Sofia lächelte und holte eine Platte mit Salami, Parmaschinken, Oliven und kleinen Cherrytomaten aus dem Kühlschrank. »Ich dachte mir, das hier gibt es als Vorspeise«, erklärte sie. »Ich hoffe, du magst Fisch, denn der Hauptgang ist Lachs.« Sofia reichte Mikael ein Weinglas. »Zum Wohl und herzlich willkommen!«
Es war erstaunlich, wie schnell die Zeit mit Sofia verging. Obwohl die Abende jetzt länger wurden, war es draußen schon eine ganze Weile dunkel, als Mikael das erste Mal einen Blick auf die Uhr warf. Es war fast halb zwölf. Sie hatten noch eine zweite Flasche Wein geöffnet, doch müde war er keineswegs. Es taten sich immer neue Gesprächsthemen auf, und sie kamen von einem zum anderen. Über Rebecka hatten sie den ganzen Abend nicht gesprochen. Was nicht daran lag, dass sie es bewusst vermieden, eher gab es so viel anderes, über das sie sich unterhalten wollten. Natürlich war der Gesprächsbedarf über Rebecka nach wie vor da, doch dieser fieberhafte Drang der ersten Tage, die Dinge von allen Seiten zu beleuchten und zu durchdringen, hatte sich bei beiden gelegt. Vielleicht konnte man das Geschehene nie wirklich nachvollziehen. Mikael hatte versucht, sich an diesen Gedanken zu gewöhnen, der ihn anfangs so geplagt hatte, und mitunter spürte er sogar für eine kurze Zeit ein Gefühl der Versöhnung. Rebecka würde für ihn ein Rätsel bleiben. Trotz der vielen gemeinsamen Jahre würde es immer etwas geben, was er nicht verstand oder von ihr wusste. Was ihm weh tat, wenn er daran dachte. Vielleicht galt das ja für alle Beziehungen, stellte er sich vor. Dass man einen anderen Menschen
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