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Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Ingemarsson
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wie Vorwürfe, vielleicht sogar eine Traurigkeit in seinen Augen ablesen, doch im nächsten Moment war das verschwunden, und er teilte mir unbekümmert seine Pläne für den Tag, den Abend, die Woche und das Wochenende mit. Unser Abschied beim Frühstück wurde zu einem unausgesprochenen Wettbewerb darin, wer den anderen am wenigsten brauchte.
    Ich holte tief Luft und lächelte Adam kurz an. »Und du?«
    »Ja, ich bin schon auch müde, aber an solchen Tagen braucht man noch etwas Zeit, um runterzukommen. Zu Hause ist das kein Problem. Die Kinder holen einen wieder auf den Boden, und Nina und ich haben die Vereinbarung getroffen, abends nicht mehr übers Geschäft zu sprechen.«
    »Worüber sprecht ihr dann?« Die Frage schoss aus mir heraus, ohne dass ich mir viel dabei gedacht hatte. Wie peinlich, als gäbe es in meinem Leben keine anderen Gesprächsthemen.
    »Gute Frage …« Adam schien zu überlegen. »Worüber sprechen wir eigentlich? Über gemeinsame Pläne für den Urlaub oder Renovierungen am Haus. Über die Kinder natürlich. Über Gedanken, die uns tagsüber gekommen sind, Beziehungen, andere Leute … Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll.«
    »Das war eine blöde Frage.«
    »Nein, gar nicht. Ich komme mir blöd vor, weil ich sie nicht klar beantworten kann. Ich sollte schließlich wissen, worüber wir sprechen.«
    »Du bist mir doch keine Rechenschaft schuldig.«
    Wir schwiegen beide. Der Barkeeper trocknete die Gläser ab, während er diskret zu uns hinübersah. Vielleicht wartete er darauf, dass wir austranken, damit er Feierabend machen konnte. Ich wollte Adam gerade vorschlagen aufzubrechen, da begann er zu erzählen.
    »Manchmal wünschte ich, wir würden mehr miteinander reden, Nina und ich. Oder vielleicht nicht unbedingt mehr, aber über andere Dinge. Im Flugzeug heute Morgen habe ich dir Dinge erzählt, über die ich seit Jahren nicht gesprochen habe. Das ist kein Geheimnis, Nina weiß natürlich, wie ich aufgewachsen bin, aber als ich mit dir darüber sprach, wurde mir erst klar, wie sehr mich das alles noch berührt. Ich sah mich selbst dort in diesem Flugzeug auf dem Weg zu wieder einem Meeting, in wieder eine neue Stadt in einem fremden Land, und mir wurde bewusst, dass ich mein entwurzeltes Leben genauso weiterlebe. Ja, ich habe meine Familie und unser Haus, aber im Herzen bin ich dort auch nicht zu Hause. Das war ein trauriger Moment, als ich das erkannte.« Adam hatte seinen Blick auf einen Punkt gerichtet, den es vermutlich in dem Raum, in dem wir uns befanden, nicht gab.
    »Bist du sicher, dass es einen Ort gibt, an dem wir zu Hause sein können? Ist ›zu Hause‹ nicht eher ein Gefühl? Das man spürt … tief in sich?«
    Adam sah mich an. »Ja, wahrscheinlich ist das richtig. Aber wie findet man das dann? Fühlst du dich zu Hause?«
    »Nein«, sagte ich nach einer Weile. »Ich glaube nicht.« Eine Erinnerung kam hoch, und anstatt sie zu vertreiben, wie ich es zu tun pflegte, schloss ich die Augen und ließ sie zu.
    Wir waren gerade in die Wohnung umgezogen, und Papa wohnte noch bei uns. Wir Kinder waren draußen gewesen und hatten im Hof gespielt, waren aber nun mit dem Fahrstuhl hinaufgefahren, um Mama zu bitten, uns für einen kleinen Ausflug ein paar Kekse und Saft mitzugeben. Ich war noch klein, die Knöpfe im Aufzug waren auf Augenhöhe. Meine Eltern bemerkten mich nicht, als ich die Tür öffnete und in den Flur trat. Ihre Worte übertönten alles andere. Mama heulte und schrie, Papa sprach gekünstelt, ohne ihr zuzuhören. Das sei unmöglich, sagte er. Er halte es nicht aus. Sie habe ihn eingesperrt, ihm ein Leben aufgedrängt, das er nie hatte haben wollen. Das sei nicht sein Zuhause, waren seine Worte. Das sei ein Gefängnis, das sie um ihn herum gebaut habe. Ich stand regungslos im Flur. Die Kekse hatte ich in dem Moment vergessen, als ich über die Schwelle trat. Der Streit in der Küche wurde lauter. Mamas Weinen klang wie das Jaulen eines verletzten Tieres, aber Papas auffällig angespannte Stimme – ich erinnere mich, dass ich fand, er klang wie eine griesgrämige alte Tante – weigerte sich nachzugeben. Dann verstummte er plötzlich und stand in der Sekunde darauf im Flur. Mit einer schnellen Bewegung zog er seine Jacke vom Bügel und stieg in die Schuhe, die er nie aufband. In dem Moment bemerkte er mich, wie ich wie versteinert dort in der Ecke stand. Er sah mir ins Gesicht und hielt für den Bruchteil einer Sekunde inne, doch sein Drang hinaus war zu

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