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Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Ingemarsson
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Können wir wirklich etwas dagegen tun? Sollten wir wirklich etwas dagegen tun?«
    »Wir können es seinlassen.«
    »Ja, sicher können wir das, aber was haben wir dann gewonnen? Oder was hat sie dann gewonnen, wenn du es von der anderen Seite betrachten willst?«
    »Vielleicht Frieden?«
    »Meinst du? Würdest du Frieden finden, wenn wir uns nicht mehr sehen?«
    »Es geht nicht um mich, es geht um sie.«
    »Sie ist tot, Mikael. Du hast zu Lebzeiten alles für sie getan, aber jetzt ist sie nicht mehr da. Was kannst du noch tun?«
    »Keine Ahnung.« Der Kommentar klang hart, fast aggressiv. Mikael kniff die Augen zusammen und schnappte nach Luft, bevor er wieder einen sanfteren Ton anschlug. »Im Moment weiß ich gar nichts, ich glaube, ich brauche Zeit.«
    »Das kann ich verstehen. Entschuldige, ich wollte dich nicht unter Druck setzen. Ich weiß selbst auch nicht, was ich davon halten soll.«
    »Vielleicht brauchen wir beide Zeit?«
    »Ja, wahrscheinlich … Ich …« Sie wurde gestört, die Tür ging wieder auf. Mikael hörte ein kurzes, leises Gespräch im Hintergrund. Als Sofia wieder dran war, klang ihre Stimme anders. »Meine Pause ist vorüber«, sagte sie fast befreit. »Ich muss jetzt Schluss machen. Ich rufe dich heute Abend an.«
    »Gut.« Mikaels Stimme klang nun ganz neutral, und sie verabschiedeten sich mit wenigen Worten. Mikael schaltete sein Handy aus und legte es in die Seitentasche neben seinen Sitz. Eigentlich hätte er erleichtert sein müssen, das Gespräch war besser gelaufen, als er erwartet hatte, doch als er die Hand, in der er den Zündschlüssel hielt, ausstreckte, merkte er, dass sie zitterte. Einen Augenblick lang betrachtete er die kleinen unkontrollierten Bewegungen, die seine Finger erschütterten. Dann steckte er entschieden den Schlüssel ins Schloss und drehte um.

Birger war als Erster dort. Mir war aufgefallen, mit welcher Geduld er oft auf uns andere wartete. Wie ein Mensch, der alle Zeit der Welt hatte. Vielleicht konnte er mit der fehlenden Zeit in der Dimension, in der wir uns befanden, besser umgehen als ich.
    Er trug den üblichen alten Trainingsanzug, und seine Haare hingen ihm in den gewohnten widerspenstigen Strähnen auf die Schultern. Kein Zweifel, dass es sich hier um einen Mann handelte, der die Schattenseiten des Lebens kannte, trotzdem sah ich nun viel mehr in seiner schlampigen Erscheinung. Dieser Blick, der vermutlich die meiste Zeit, die er auf der Erde gelebt hatte, verschwommen vom Alkohol war, konnte die Dinge in nüchternem Zustand sehr genau betrachten. Sein Humor, den er schon oft unter Beweis gestellt hatte, war mit seinem schallenden Lachen möglicherweise etwas grob, aber er war sowohl treffsicher als auch zweideutig. Sein schmuddeliges Äußeres, das er aus dem Leben mitgebracht hatte, war schwer zu übersehen, doch mittlerweile nahm ich den Dreck, die Kleider, die langen Fingernägel mit den Trauerrändern und das ungepflegte Haar ganz anders wahr als damals, als ich ihn kennenlernte.
    Manchmal fragte ich mich, was die anderen aus meiner Erscheinung lasen. Trotz der Zeit, die seit meinem Tod verstrichen war, schien mein Blazer ständig frisch gebügelt zu sein, meine Bluse war fleckenfrei, und an meinem Rock konnte ich nur leichte Sitzfalten entdecken, wie sie sich nach einem nicht besonders anstrengenden Tag im Büro einstellten. Nicht einmal der Nagellack war abgesplittert. Aber noch immer war ich barfuß. Mein Gesicht konnte ich nicht sehen. Stand ich vor einem Spiegel, sah ich nur das, was hinter mir war, und ich hatte mir die Eitelkeit abgewöhnt, auf die leeren Glasflächen zu starren. Doch manchmal fuhr ich mir durchs Haar, spürte die feinen Fasern zwischen meinen Fingern und bildete mir für einen Augenblick ein, sie seien echt. Ich besäße Haare, Finger und mein Leben.
    Als ob Birger genau dieselben Gedanken gehabt hätte, betrachtete er mich von oben bis unten, während ich auf ihn zukam.
    »Soso, kommt Frau Direktor heute persönlich«, sagte er und lächelte, so dass ich einen Blick auf seine ungepflegten Zähne werfen konnte. Manchmal nannte er mich so, und mit der Zeit ließ ich ihn einfach reden. Nicht dass es mir gefiel, ich wollte mir vielmehr die Erklärungen darüber, was eigentlich mein Beruf gewesen war, sparen. Für Außenstehende war es gar nicht so einfach zu verstehen. Weder der Inhalt meiner Arbeit noch die Tatsache, dass es Menschen gab, die so viel Geld hatten, dass sie nicht wussten, wohin damit. Am Anfang hatte ich

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