Der Himmel so fern
mehr so wie jetzt. Ich will das Licht an ihrer Seite sein, die Hoffnung, die Stimme, die mit dem Wind flüstert, dass alles gut werden wird. Sie muss mich nicht sehen oder meine Worte hören, sie wird trotzdem spüren, dass ich da bin.«
Als sie verstummte, tauchte im selben Moment Veronika aus der Dunkelheit auf. Anna drehte sich um und nickte dem Engel fast unmerklich zu, bevor sie sich wieder uns zuwandte.
»Ich will mich bei Ihnen bedanken, dass Sie mich hier begleitet haben«, sagte sie feierlich. »Ich mag Sie beide wirklich sehr. Und natürlich Valdemar, auch wenn er nicht mehr hier ist. Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute. Von Herzen. Das meine ich ernst.« Anna nickte nachdrücklich. »Birger, Ihr Sohn hat das Glück, einen Vater zu haben, der sich wirklich um ihn kümmert. Alex wird seinen Weg machen, das spüre ich. Und Rebecka …« Sie sah mir ins Gesicht, und für den Bruchteil einer Sekunde sah man etwas wie Traurigkeit in ihren Zügen. »Ich bin froh, dass ich Sie kennenlernen durfte. Ich wünsche auch Ihnen, dass Sie erkennen, wie es weitergeht, dass Sie langsam zur Ruhe kommen und eine Möglichkeit finden, Mikael Ihre Liebe zu zeigen, ohne selbst so sehr darunter zu leiden.«
Ihren letzten Satz fand ich zuerst ziemlich ärgerlich. Mit meiner Beziehung zu Mikael hatte sie nicht das Geringste zu tun. Wir hatten das Thema erledigt. Aber dann sah ich, dass sie lächelte, und die Ehrlichkeit dieses Lächelns vertrieb meine spontane Lust, gegen ihre Worte anzureden.
»Und wohin gehen Sie jetzt?«, fragte ich stattdessen und sah auf die rosaschimmernde Gestalt hinter ihr.
»Ich weiß es nicht. Ich habe wirklich keine Ahnung, aber ich weiß, dass ich hier nicht länger bleibe. Veronika wird sich um mich kümmern. Ich vertraue ihr, ich habe keine Angst.« Sie wandte sich dem Engel zu, und fasziniert beobachtete ich, wie der Schein ihrer Aura sie beide umschloss, anwuchs und intensiver wurde. Die Farbe changierte von Rosa zu einem milden Gelbton und schließlich wieder zurück zu Rosa. Anna lächelte uns ein letztes Mal zu. Dann glitten die beiden langsam fort, friedlich wie eine Sternschnuppe, die in die Ferne zieht.
Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, da ließ er die Schultern sinken wie ein alter Mann. Sein Gesicht war fahl, die Falten zeichneten sich ab, und sein Mund war zusammengekniffen, die Lippen farblos. Er zog seine Jacke aus und band die Schuhe auf, dann blieb er vor dem Spiegel mit dem Goldrahmen stehen und fuhr sich durchs Haar. So stand er eine ganze Weile da und ließ dann die Hand übers Kinn wandern, wo nun ein dunkler Schatten über der hellen Haut zu sehen war. In seiner Handbewegung war eine wirre Zärtlichkeit, wie eine inhaltslose Liebkosung, und der Blick im Spiegel war leer.
Einer der Spots flackerte, so dass er hochsah. Das ungleichmäßige Licht blendete ihn, doch kurz darauf legte sich das Flackern. Einen Moment beobachtete er die Lampe, aber es geschah nichts mehr, und mit schweren Schritten verließ er den Flur. Das Parkett im Schlafzimmer knarrte, als er seinen Fuß daraufsetzte. Einen Moment blieb er auf der Schwelle stehen und sah sich um, als wisse er nicht mehr, warum er das Zimmer betreten hatte. Dann fasste er sich wieder und ging die wenigen Schritte bis zum Bett, wo er sich niedersinken ließ. Erst saß er, dann – nachdem er mit einer kraftlosen Bewegung die Beine angehoben hatte – lag er auf dem Rücken, den Blick zur Zimmerdecke. Ein erstes Schniefen durchbrach die Stille, und nach einer Weile zog er die Knie an die Brust und rollte sich auf der Seite zusammen. Sein Rücken bebte von den Schluchzern, die folgten.
Das Telefon läutete, und er tastete nach dem Apparat. Sein Gesicht erstarrte, als er das Handy in der Hand hielt. Er betrachtete es mit einem versteinerten Gesichtsausdruck, bis die schmerzhaft fröhliche Melodie verklang. Jetzt konnte er nicht mit ihr sprechen. Weder jetzt noch später. Mikael blieb liegen, das Telefon fest von der Hand umschlossen. Das Weinen hatte sich gelegt, doch seine Schultern und die Kiefermuskulatur waren verspannt. Als die Nachttischlampe auf der anderen Seite des Bettes anfing zu flackern, dauerte es nur den Bruchteil einer Sekunde, bis sein Arm nach oben schnellte und er das Handy mit voller Kraft in Richtung Wand schleuderte.
»Jetzt hörst du endlich damit auf!«, schrie er, als das Telefon den Lampenschirm traf, und die Leuchte mit einem Knall zu Boden fiel. Dabei riss das Kabel den kleinen
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