Der Himmel so fern
Mikael und Rebecka hatten kaum gewagt, sich zu rühren, sie waren die einzigen Touristen am Strand, und es war, als wären sie mit ihren braungebrannten Rücken, über den Steinen hockend, unsichtbar geworden. Vorsichtig schauten sie hinüber, als die Priester auf sie zugewandert kamen. Mikael sah Rebecka nicht an, doch er spürte, wie sie ein Kichern unterdrückte, als die bärtigen Männer ihre Kutten ablegten und blasse Körper in altmodischen Unterhosen zum Vorschein kamen. Die Bärte hingen bis übers Kinn, und als sie dem Wasser entgegenrannten, prusteten sie und lachten ausgelassen wie Schulmädchen bei einem Ausflug. Als sie mit dem Baden fertig waren, verschwanden sie ebenso schnell wieder, wie sie gekommen waren, und ab dann erfüllte nur noch das Rauschen des Meeres die Luft.
Als sie schließlich ihre Sachen zusammengepackt hatten und auf dem Weg zum Parkplatz waren, wo ihre Mopeds standen, griff Rebecka nach seiner Hand.
»Danke«, sagte sie. »Danke, dass ich dir diesen Platz zeigen durfte.« Dann blieb sie stehen und legte ihre Arme um seinen Hals. Sie roch nach Sonnencreme, und ihre Haut war heiß nach einem Tag am Strand. Sie küssten sich lange, bis sie ihn wieder losließ und sein Gesicht mit ein bisschen Abstand betrachtete. »So wie jetzt könnte es bleiben. Für immer«, sagte sie.
Mikael riss die Augen auf und sah sich im Schlafzimmer um. Diese Erinnerung war so süß gewesen, dass der Nachgeschmack, der sich nun einstellte, umso bitterer war. Natürlich hätte es so bleiben können. Für immer. Aber etwas war dazwischengekommen. Auf dem Weg war ihnen etwas verlorengegangen, so viel war ihm klar. Sie hatten sich aus den Augen verloren, und jetzt war Rebecka für immer verschwunden. Aus immer war nie geworden.
Trotzdem blieb er noch lange Zeit im Bett liegen und ließ die Erinnerung auf sich wirken. Träumen hatte eigentlich keinen Sinn, das wusste er, doch ihm war, als hätten die Bilder eine eigene Kraft. Jedes Mal, wenn er versuchte, sie abzuschütteln, tauchte eine andere sinnliche Erinnerung auf. Wie sich die Steine zwischen seinen Fingern anfühlten, wie glatt auf seiner Haut. Oder der salzige Geschmack des weichen Fetas, auf den er mit einem Mal Appetit verspürte. Oder die Erregung, die Rebeckas Brüste unter dem nassen Bikini bei ihm auslösten. Am Ende gab er alle Versuche auf, in die Gegenwart zurückzukehren. Und als er schließlich wieder einschlief, spürte er noch einmal diesen Kuss am Strand auf seinen Lippen.
»Er hat mich gehört, das ist wirklich wahr! Ich habe gesehen, wie seine Trauer verschwand, jedenfalls für kurze Zeit. Das war phantastisch! Hörst du mir zu, Arayan, ich habe es geschafft!«
»Ich höre dir zu. Es freut mich, dass Mikael für eine Weile Ruhe gefunden hat in seiner Traurigkeit.«
»Er schlief lächelnd ein. Ich bin die ganze Nacht bei ihm geblieben. Jedes Mal, wenn die schwere Last sich wieder anbahnte, erfüllte ich ihn mit Bildern, die ihn glücklich machten.Warum hast du das nicht gleich erzählt? Das hätte Mikael geholfen. Und mir auch.«
»Ich kann mir vorstellen, dass du es so empfindest.«
»Das hat nichts mit Empfindungen zu tun, Arayan. Ich habe es
selbst gesehen, mit eigenen Augen. Wie sich seine Gesichtszüge langsam glätteten und er insgesamt entspannter wurde. Komm’ beim nächsten Mal doch mit, dann weißt du, wovon ich rede. Ich kam mir vor wie ein Engel, der das Licht brachte.«
»Warum bist du so schweigsam? Weil ich etwas über Engel gesagt habe? Hast du mir das übelgenommen? Ich weiß, dass ich kein Engel bin. Du bist ein Engel, und ich bin ein Geist. Okay?«
»Ich nehme dir nichts übel. Einem Engel zu gleichen, weil man etwas Gutes tut, ist ein schönes Bild. Ihr Menschen wisst mehr über uns, als ihr denkt. Ihr kennt das Wesen der Engel.«
»Wirklich? Nur weil ich mich mit dir unterhalte, bedeutet das nicht, dass ich an Engel glaube.«
»Man muss nicht daran glauben, um es zu wissen.«
»Arayan, ich bin ja nicht blöd, aber manchmal kommst du so intellektuell daher, dass ich kein Wort verstehe. Aber, ehrlich gesagt, das ist auch nicht so schlimm. Heute bin ich einfach nur glücklich. Ich kann Mikael helfen, jetzt weiß ich es, und genau das werde ich tun. Er soll wissen, dass ich an seiner Seite bin, für immer.«
»Ich bewundere deine Hingabe. Mikael wird deine Nähe sicherlich stark spüren, daran habe ich keinen Zweifel.«
»Nicht nur Nähe, Arayan. Liebe. Er wird meine Liebe spüren.«
Mikael betrachtete seine
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