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Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Ingemarsson
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Einzige, den ich ausließ, war derjenige, um den es ging. Ich hatte meinen Stolz, schon damals, und vor Papa war ich fröhlich und unbeschwert. Obwohl mein Herz schier zerbrach, jedes Mal, wenn er sich verabschiedete, lächelte ich und winkte ihm tapfer hinterher. Nie würde ich mich wie Mama verhalten. Heulen und sich festzuklammern war nutzlos. Im Gegenteil, es würde ihn nur noch mehr abschrecken.
    »Es wäre viel besser, wenn Papa wieder heimkäme, findest du das nicht auch? Dann müsstest du mir auch nicht mehr zuhören und hättest Zeit, dich um andere Kinder zu kümmern, die es viel schlechter haben. Oder kannst du uns vielleicht einen Engel schicken, der Papa bittet heimzukommen? Wenn du das machst, kann ich noch mal mit Mama reden und sie dazu bringen, nicht so viel herumzunörgeln. Sonst wird er wieder verschwinden.«
    War eigentlich wirklich er derjenige, nach dem ich mich sehnte? Oder war es vielmehr der Traum von einem normalen Leben? Dass Mama wieder öfter frische Kleider anzog und regelmäßig etwas zu essen kochte. Dass wir am Mittagstisch miteinander Witze machten. Dass wir an den Wochenenden Ausflüge unternahmen und wir zu Papa ins Atelier durften, wo alles furchtbar spannend war, wie in einem Riesenkindergarten mit bunten Farben und Gemälden.
    Denn so war es doch wohl vorher gewesen?
    »Du willst doch, dass die Kinder es gut haben, oder? Aber jetzt ist es für mich gar nicht gut. Und für Sofia auch nicht, und sie ist noch viel kleiner als ich, und deshalb bitte ich dich auch für sie um Hilfe. So, ich tu’s jetzt.«
    Ich tat dann das, was ich auf alten Bildern gesehen hatte. Wie Kinder beteten. Ich rutschte aus dem Bett und kniete mich mit gefalteten Händen hin. Kniff die Augen fest zu und dachte: Lieber, lieber, lieber Gott … Dann schlug ich die Augen auf und sah an die Decke.
    »Wenn Papa zurückkommt, brauche ich auch keinen Hund. Ganz ehrlich.«

»Was soll ich tun? Ich ertrage es nicht, ihn zu sehen, gleichzeitig ist es das Einzige, was ich will. Ich will ihn trösten, ihn umarmen, ihm mitteilen, dass ich da bin. Es tut so unglaublich weh, mit ansehen zu müssen, wie er leidet, aber er hört mich nicht, fühlt mich nicht, sieht mich nicht …«
    »Du hast diese Welt verlassen.«
    »Das ist nicht wahr! Ich bin doch bei ihm, jeden Tag bin ich da. Ich habe Mikael nicht verlassen. Es ist meine Schuld, dass sein Leben jetzt so aussieht. Ich bin es ihm schuldig, für ihn da zu sein. Ich liebe ihn, ich werde ihn nie wieder im Stich lassen!«
    »Du fühlst dich verantwortlich, und das ist gut so, aber Mikaels Leben ist nicht deines. Er muss seinen eigenen Weg finden.«
    »Kann schon sein, aber dabei will ich ihm helfen. Ich will für ihn da sein. Meine Liebe ist stärker als der Tod.«
    »Das ist wahr.«
    »Dann, lieber Arayan, sag’ mir bitte: Was muss ich tun, um zu ihm vorzudringen?«
    »Das hast du selbst gesagt. Deine Liebe ist stärker als der Tod.«

Seine Augenlider waren ganz starr und gehorchten ihm nicht, wieder einmal war er mit Tränen in den Augen eingeschlafen. Fröstelnd warf Mikael einen Blick auf die Uhr. Er war aus dem Schlaf gerissen worden, als hätte ihm jemand mit einem Ruck die Decke weggezogen und ihn frierend und schutzlos dort auf der Matratze liegen lassen. Beim Wehrdienst hatte er einen Vorgesetzten gehabt, der seine Soldaten gern auf diese Art weckte. Doch das war jetzt nicht der Fall. Niemand hatte seine Bettdecke auch nur berührt.
    Zuletzt war er vor nicht mal einer Stunde aufgewacht. Da war er noch ganz schlaftrunken und benommen gewesen und sehr schnell wieder eingeschlafen. Dieses Mal fühlte er sich unangenehm wach. Er schloss die Augen und versuchte, sich auf Geräusche in der Wohnung zu konzentrieren, doch er hörte nichts. Im Schlafzimmer war es mucksmäuschenstill, und auch aus dem Gästezimmer drang kein Laut. Seine Mutter hatte schon immer einen tiefen Schlaf.
    Es war nichts Ungewöhnliches, im Dunkeln wach zu liegen. Seit Rebecka ihn verlassen hatte, hatte er die meisten Nächte so zugebracht. Wenn die Müdigkeit und die Erschöpfung überhandnahmen, schluckte er ein paar von ihren Tabletten, und dann konnte er ein paar Stunden am Stück durchschlafen. Er hatte die Schachtel aus dem Badezimmerschrank genommen und in sein eigenes Regal gelegt. Jedes Mal Rebeckas Schrank mit ihren Cremes und Parfüms zu öffnen ging über seine Kräfte. Er fragte sich, wann er das wohl wieder könnte. Sich um all die praktischen Dinge zu kümmern: Regale und

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