Der Himmel so fern
Mutter, während er über den Küchentisch nach dem Brotkorb griff. Noch immer war er so erfüllt von dem Gefühl, mit dem er am Morgen erwacht war, dass er, ohne nachzudenken, sofort zu erzählen begann. Vielleicht hätte er es lieber lassen sollen. Seine Mutter reagierte mit einem beunruhigten Blick, auch wenn sie sich Mühe gab, etwas Positives zu sagen.
»Es muss ein guter Traum gewesen sein, du siehst heute viel gesünder aus.« Sie warf ihm vorsichtig einen Blick zu, während er schon sein zweites Brot schmierte. »Es scheint, als hättest du auch Appetit bekommen …«
»Ich habe seit Ewigkeiten endlich wieder schlafen können. Und zwar richtig, mehrere Stunden am Stück.«
»Wie schön.« Sie schluckte. »Heute bist du ja auch mit der Pfarrerin verabredet.«
Mikael legte sein Brot wieder ab. Das hatte er tatsächlich vergessen. Er ließ das Messer aus der Hand rutschen. »Ach ja.«
»Ich glaube, es wird dir guttun, mit ihr zu sprechen. Wenn die Beerdigung vorüber ist, wird es für dich leichter werden.«
»Warum meinst du das?«
»Na ja … das sagt man so. Weil das einen Schlusspunkt setzt, danach ist es einfacher, wieder nach vorn zu schauen.«
»Aha.«
»Mikael, ich wollte dir nicht die Laune verderben. Entschuldige. Kannst du nicht noch mehr von deinem Traum erzählen?«
»Nein.« Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen, wie die Rache eines Kindes, und es tat ihm auf der Stelle leid. Seine Mutter konnte nichts dafür, dass Rebecka nicht mehr bei ihm war, und er musste sich darüber den Kopf zerbrechen, welche Musik sie auf ihrer Beerdigung gern gehabt hätte. Was in der Todesanzeige stehen sollte. Welche Blumen ihr am liebsten gewesen wären. Ob man Kränze aus Seidenblumen herstellen konnte?
»Ich werde mich jetzt fertigmachen«, sagte er betont friedlich und stand vom Frühstückstisch auf.
»Isst du dein Brot nicht mehr auf?« Birgitta schaute auf die belegte Brotscheibe, die neben Mikaels Kaffeetasse lag.
»Nein, danke. Ich bin schon satt. Iss du sie doch, wenn du magst.«
Er ging aus der Küche. Achtete absichtlich darauf, einen geraden Rücken zu machen, weil er wusste, dass der besorgte Blick seiner Mutter ihm folgte. Sobald er aus ihrem Blickfeld war, holte er tief Luft. Er ging ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Sein Herz schlug heftig, bis in die Fingerspitzen vibrierte es, als hätte man seinen Körper an das Stromnetz angeschlossen.
Mikael ließ sich aufs Bett fallen und zog die Beine an. Das Kopfkissen war von der Nacht plattgelegen, und noch immer spürte er einen Hauch der Restwärme seines eigenen Körpers unter der Decke. Er schloss die Augen. Sein Herz pochte unangenehm stark bis hoch in den Hals, und er versuchte, ein paar Male ruhig zu schlucken, um seinen Puls zu beruhigen. Heute war also der Termin mit der Pfarrerin. Wahrscheinlich würde alles gutgehen, versuchte er sich einzureden. Sie würden sich über Rebecka unterhalten und über die Beerdigung sprechen. Reine Formsache. Vermutete er zumindest, solch ein Gespräch führte er schließlich zum ersten Mal. Sie würden sich im Gemeindehaus treffen. Er nahm an, dass es ein entsprechendes Zimmer für solche Art von Gesprächen gäbe, und stellte es sich in sanften Farbtönen, mit weichen Teppichen und bequemen Sesseln vor. Die Pfarrerin hatte nachgefragt, so hatte es Birgitta ausgerichtet, ob es ihm lieber wäre, wenn sie zu ihm nach Hause käme, doch das hatte er abgelehnt. Er hatte noch vor Augen, wie die Polizisten seine Wohnung inspiziert hatten. Noch einen Fremden, der in den leeren Zimmern nach Spuren von Rebecka suchte, hielt er nicht aus. Sie war nicht mehr da.
Die Sache mit der Pfarrerin lag ihm schwer im Magen. Rebecka war nicht gläubig gewesen. Er selbst auch nicht. Von der Konfirmation abgesehen hatte er Kirchen nur zu wenigen Anlässen aufgesucht. Als sein Großvater beerdigt wurde, die paar Male, die ihn eine ehemalige Freundin in Konzerte mitgeschleift hatte, und die eine oder andere Hochzeit im Bekanntenkreis. Rebecka und er hatten sich nur standesamtlich trauen lassen. Sie wollte es so. Er hätte eigentlich auch gern kirchlich geheiratet. Nicht wegen der Religion, sondern weil es immer so feierlich war. Aber Rebecka konnte immer wieder erstaunlich stur sein. Das Stadshus sei völlig ausreichend, behauptete sie, und damit war die Sache erledigt. Er hatte Angst, dass sie es sich anders überlegen würde, wenn er versuchte, sich durchzusetzen. Auf eine kirchliche Trauung mit
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