Der Himmel so fern
wusste, dass es Geschöpfe wie uns gibt. Aber mir kam oft der Gedanke, dass unsere Katze Dinge sah, die wir nicht sehen konnten. Plötzlich setzte sie sich hin und fixierte mit dem Blick etwas quasi im Nichts. Oder machte einen Katzenbuckel oder fing ohne Grund an zu jaulen.« Die Erinnerung zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht. »Wir hatten immer eine Katze, Sonja und ich. Ein Heim ohne Katze ist irgendwie kein Zuhause für mich. Aber in den letzten Jahren war ich allein. Als Sessan starb, habe ich keine neue Katze mehr angeschafft.« Valdemar seufzte. »Zu Hause ist es sehr trostlos ohne Sonja und ohne Katze.«
»Das kann ich verstehen. Ich bin auch mit Tieren aufgewachsen. Hunde, Katzen, Meerschweinchen, Fische … Als Kind bin ich geritten, doch seit ich einmal abgeworfen worden bin, habe ich Angst. Pferde liegen mir aber immer noch am Herzen. Ein Leben ohne Tiere kann ich mir nur schwer vorstellen. Wir hatten vor, einen Hund anzuschaffen, wenn Evelina etwas größer wäre.« Einen Moment lang verlor Anna sich in einem Bild aus ihrer Erinnerung und lächelte. »Wie ist es bei Ihnen, Rebecka, haben Sie auch Haustiere gehabt?«
»Nein.«
»Nie?«
»Nein.« Ich streckte mich. »Muss man das?«
»Natürlich muss man nicht.« Anna machte ein ängstliches Gesicht, der Ton zwischen uns wurde schnell barsch. »Vielleicht hatten Sie ja eine Tierallergie. Oder Sie mögen Tiere einfach nicht, ist ja nicht jedermanns Sache. Oder?«
»Stimmt.« Ich sah ihr direkt ins Gesicht. Anna schaute unglücklich drein. Ich machte es ihr wirklich nicht leicht, aber sie hatte etwas Provokantes in ihrer Art. Als ob alles so selbstverständlich sei. Nichts war selbstverständlich. Auch wenn mir das vorher nicht bewusst gewesen war.
Anna drehte sich zu Birger um und wechselte das Thema. »Es war schön, Ihren Sohn kennenzulernen«, sagte sie. »Ich kann verstehen, dass Sie sich Sorgen um ihn machen, aber ich glaube, dass er wirklich ein feiner Kerl ist.«
Birger grinste. »Er ist ein feiner Kerl. Er hat nur jede Menge Unsinn im Kopf.« Er nickte Valdemar zu. »Danke für Ihre Mühe. Monica hätte niemals auf mich gehört. Damit hat sie schon vor langer Zeit aufgehört, lange bevor ich mich auf diese Wolke begeben habe.«
»Ach, das war doch nicht der Rede wert.« Valdemar war es peinlich. »Lügen sind immer der Anfang«, sagte er mit ernster Stimme. »Ich habe das so oft in der Schule erlebt. Alle können Fehler machen, aber die, die nicht dazu stehen können, sind am Ende die Verlierer. Die, die den anderen die Schuld geben oder den Umständen, die, die die Wahrheit verdrehen. Ich habe versucht, meinen Schülern beizubringen, ehrlich zu sein – auch, wenn sie Fehler gemacht haben. Ich habe niemals Strafen verhängt, wenn sie bereit waren, die Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen. Dann war das Ziel ja erreicht. Warum sollte ich den Jungen denn noch ausschimpfen, wenn er schon zugegeben hatte, dass er den Stein in die Scheibe geschmissen hat? Natürlich musste er für den Schaden aufkommen, aber in solchen Fällen blieb am Ende nur noch die Abwicklung der Formalitäten.«
»Und was haben Sie mit denen gemacht, die gelogen haben?« Birger legte die Arme über Kreuz und betrachtete den alten Mann misstrauisch.
»Einige waren ja bereits in jungen Jahren ziemlich hartgesotten. Da kam es vor, dass sie auch dann noch alles abgestritten haben, wenn es Zeugen gab. Das war schwer.«
»Sie haben sie doch wohl nicht gezüchtigt?« Anna sah ihn entsetzt an.
»Nein. Mit der Strafe mussten sich dann die Eltern auseinandersetzen, und ich fürchte, zu Hause ging es manches Mal schlimmer zur Sache.«
Ich klinkte mich in die Diskussion ein. »Da sehen Sie es, Birger, Alex ist ja wohl kaum so abgebrüht. Am Ende hat er doch die Wahrheit gesagt.«
»Ja, am Ende schon …«
»Vielleicht sollten wir noch einmal nach ihm schauen«, schlug Anna plötzlich vor, als die Pause unangenehm lang wurde. Valdemar nickte zustimmend.
»Möchten Sie das?«
Ich gab keine Antwort. Nach dem letzten Schlagabtausch mit Anna war unser Verhältnis angespannt, und ich versuchte, weitere Unstimmigkeiten zu vermeiden. Birger schien den Vorschlag gut zu finden.
»Ja, in dem Fall sage ich nicht nein«, freute er sich und winkte uns auffordernd zu, ihm zu folgen.
Ich war überrascht , dass jemand sich traute, so laute Musik in einer Mietwohnung zu hören, und hielt mir instinktiv die Ohren zu. Dieses Mal waren wir nicht bei Alex. Das Zimmer, in das wir
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