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Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Ingemarsson
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gekommen waren, war kleiner und dunkler. Es war verraucht, die Gardinen waren zugezogen, und aus den Lautsprechern hörte man einen Rapper in ohrenbetäubender Lautstärke, der immer wieder das Gleiche von sich gab, für einen Außenstehenden jedoch unverständlich. Zwei Jungs saßen auf einem zerwühlten Bett, einer auf einem Schreibtischstuhl, und in der Mitte lag Alex auf dem Boden. Sie tranken Bier aus Dosen, und hin und wieder lallte einer unzusammenhängende Worte. Nach einer Weile drehte einer von ihnen die Lautstärke runter. Ein anderer motzte.
    Es war eng in dem Zimmer, und wir vier standen an eine Wand gedrängt. Birger schüttelte den Kopf, als er seinen Sohn sah.
    »Mit so etwas verschwendet er seine Zeit«, sagte er. »Alex ist der Jüngste von denen. Die anderen haben die Schule schon hinter sich, und der da hinten …« Er zeigte auf einen der Jungs auf dem Bett. »Der besorgt die Getränke. Und was man sonst noch braucht. Wenn ich könnte, würde ich ihn kurz und klein schlagen.«
    Wir betrachteten den Jungen, den Birger uns gezeigt hatte. Er lehnte schief an der Wand, die Mütze über die Augen gezogen und in einer Hand eine Zigarette. Auf dem Bauch hatte er einen randvollen Aschenbecher. Er war derjenige, der nicht wollte, dass der andere die Musik leiser dreht.
    »Wohnt er hier?« Anna sah sich in dem unaufgeräumten, dunklen Zimmer um.
    »Ja. Er heißt Josef. Seine Mutter arbeitet irgendwo im Schichtdienst, daher hat er die Wohnung oft für sich allein.«
    »Sagt sie denn nichts dazu?« Anna war erstaunt. »Ich meine, dass er zum Beispiel zu Hause raucht. Die ganzen Möbel und Kleider stinken doch nach dem Zeug. Das kriegt man nie wieder raus.«
    Birger sah sie mit leerem Blick an, als Alex sich auf einen Ellenbogen stützte und zu der Dose griff, die neben ihm auf dem Boden stand. Er trank sie in einem Zug aus, rülpste und wollte sie in einen Pappkarton werfen, der in einer Zimmerecke stand. Er verfehlte ihn jedoch, und die Dose rollte scheppernd über den Boden.
    »Was machst du für einen Scheiß?« Josef sah ihn wütend an. »Heb’ die auf.« Sein Ton klang drohend.
    Alex zuckte mit den Schultern und kroch zu der Dose hinüber. »Wo soll ich sie denn hintun?«, fragte er, als er sie aufgehoben hatte.
    »Das ist doch verdammte Scheiße nicht mein Problem. Du kannst dich um deinen Mist selber kümmern.«
    Alex zog eine säuerliche Miene, stellte aber den Müll wieder neben sich auf den Boden. »Hast du noch mehr?«
    »Wenn du Kohle hast. Umsonst kriegst du das Zeug nicht, wenn du das glaubst.«
    »Denkst du, ich bin blöd oder was? Weiß ich wohl.« Alex tastete in seiner Tasche nach ein paar Scheinen. »Jetzt zufrieden?«
    Josef nickte. »Nimm dir was aus der Tüte«, sagte er und wies auf eine Plastiktüte, die am Bett stand. »Und dreh’ die verdammte Musik auf!«
    Ich fühlte mich nicht gerade wohl in meiner Haut, als ich da so stand. Dass Birger sich Sorgen um Alex machte, konnte ich gut verstehen, der Anblick war wirklich nicht sehr erbaulich, doch was konnte ich hier ausrichten?
    »Hören Sie mal«, begann ich vorsichtig. »Ich glaube, ich muss mich jetzt verabschieden …« Ich überlegte kurz, um die passenden Worte zu finden. »Mikael hat heute Nacht so schlecht geschlafen, er braucht Gesellschaft. Ich spüre, dass ich jetzt zu ihm muss. Ich hoffe, Sie verstehen das.«
    »Selbstverständlich.« Birger sah mich an. »Jeder von uns hat sein Päckchen zu tragen. Das ist so. Wir sehen uns dann wohl oben wieder, nehme ich an.«
    Ich versuchte zu lächeln. »Ja, sicher.«
    Ich schloss die Augen, konzentrierte mich und saß im nächsten Augenblick in einem Sessel in meinem Wohnzimmer. Es war kein besonders schöner Abgang gewesen, aber was hätte ich machen sollen? Mit meinen eigenen Problemen hatte ich schon genug zu tun, genau wie Birger es gesagt hatte. Und wahrscheinlich war es mit Alex nur halb so wild. Alle Teenager tanzen mal aus der Reihe. Ich war selbst auch keine Heilige gewesen.
    Mich schauderte. In der Wohnung war es ganz still. Mikael war im Büro. Es war langsam an der Zeit, sich wieder an den Arbeitsalltag zu gewöhnen. Sein Arzt hatte vorgeschlagen, mit halben Tagen anzufangen. Ich versuchte, das Gute darin zu sehen. Schließlich bedeutete das für ihn wieder geregelte Tagesabläufe und die Beschäftigung mit anderen Dingen. Gleichzeitig machte es mir Angst. Seine Arbeit könnte ihn noch weiter von mir entfremden. Sobald andere Personen auf der Bildfläche erschienen,

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