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Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Ingemarsson
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zugehalten. Das sind private Dinge, die du da ausplauderst, wollte ich rufen, egal, ob sie wahr waren oder nicht. Hätte das nicht unter uns bleiben können? All das uninteressante und belanglose Zeug, das nur uns beide betraf. Wofür brauchte man Publikum? Jetzt spielte all das keine Rolle mehr. Zumindest nicht für einen Außenstehenden, schon gar nicht für Mikael.
    Aber ich konnte sie nicht davon abhalten. So erzählte sie von unserer Kindheit, als wäre es eine von vielen Geschichten, wie eine Anekdote von einem verlorenen Schmuckstück oder einem gebrochenen Bein im Skiurlaub. Ein Ereignis, das eben einfach passiert. Sie beschrieb mich als Person, die alles unter Kontrolle hatte und sich distanzierte, doch wenn sie so sprach, klang es eher, als sei sie diejenige, die die Lage von außen betrachtete. Mein Schwesterlein, mit den großen Kulleraugen, deren Blick ständig an mir klebte, bei jedem Schritt. So nervig, dass ich sie schließlich gebeten habe,
mein Bedürfnis nach Abstand zu respektieren
. Sie war diejenige, die am Leben war, sie konnte die Geschichte erzählen, wie sie es wollte. Es tat mir weh, dass sie beschlossen hatte, Mikael alles zu berichten. Es gab Dinge im Leben, die behielt man für sich. Bei jedem gab es so etwas.
So what
, hätte ich am liebsten quer über den Tisch geschrien, als Sofia immer mehr emotionale Momente unserer Kindheit preisgab. Was sollte Mikael denn damit? Mich bemitleiden, sich in mich hineinversetzen, mich analysieren? Kommentare wie »nun ja, bei dieser Kindheit ist das ja kein Wunder« abgeben? Wie ich so etwas hasste. Ausreden und Entschuldigungen. Alles nur Bullshit! Da war nichts zu verstehen, konnte er das nicht endlich kapieren?
    Als wir Sofia an der U-Bahn-Haltestelle verabschiedeten und gemeinsam nach Hause gingen – er mit verspanntem Nacken und ungleichmäßigen Schritten, um den Pfützen auf dem Gehweg auszuweichen, und ich in Nylonstrümpfen und dünnem Jackett, für die Kälte unerreichbar –, hatte ich eine Angst wie nie zuvor. Ich hatte keine Ahnung, was die Geschichten, die er eben gehört hatte, in ihm auslösen würden. Sein Blick war leer, die Lippen verschlossen. Er wird mich verlassen, dachte ich und spürte, wie Panik aufkam, und diese vier Wörter verfolgten mich wie ein Mantra bei jedem einzelnen Schritt.

»Arayan, kannst du nicht irgendetwas unternehmen? Mir helfen? Kannst du ihm nicht klarmachen, dass er nur mich braucht? Dass er nicht länger suchen muss.«
    »Kann der Mensch je aufhören zu suchen?«
    »Ja. Wenn wir das gefunden haben, wonach wir auf der Suche waren.«
    »Und was ist das?«
    »Geborgenheit, glaube ich. Und Liebe. Ist das denn so wichtig? Wahrscheinlich sucht jeder nach etwas anderem.«
    »Glaubst du, dass Mikael sich bei dir geborgen fühlte?«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Nichts. Ich frage dich.«
    »Hör’ auf damit! Du meinst, es ist meine eigene Schuld, stimmt’s? Dass er in meiner Vergangenheit gräbt.«
    »Daran hat niemand Schuld. Es geht mehr um Ursache und Wirkung. Mikael ist mit vielen Fragen allein. Genau wie du. Man muss es ihm zugestehen, dass er die Antworten sucht. Ihr beide müsst die Antworten auf eure Fragen suchen.«
    »Danke, ich habe die Antworten, die ich brauche.«
    »Wenn das so ist, freut es mich.«
    »Dann kannst du mir also nicht helfen?«
    »Ich bin für dich da, aber vielleicht nicht so, wie du es dir gerade wünschst.«

»So trifft man sich wieder.« Birger nickte zu uns herüber. Vielleicht war es nur Einbildung, doch ich meinte, er sähe etwas fröhlicher aus. »Danke, dass Sie mitgekommen sind«, sagte er. »Sie mögen mich verschroben finden, aber ich bin froh darüber. Verdammt, viel Gesellschaft hat man zur Zeit nicht gerade!«
    »Danke, dass Sie uns mitgenommen haben.« Anna nickte froh. »Auch für mich war es ein beeindruckendes Erlebnis, in diesem Zustand jemanden zu Hause zu besuchen. Als wäre man in einem Fernseh- oder Kinofilm dabei. Zum ersten Mal kam ich mir wirklich wie ein Geist vor: unsichtbar, wie wir sind. Mit Ihnen wurde es so spürbar: dass wir miteinander reden konnten, ohne dass es die anderen hörten. Wenn ich bei mir zu Hause bin, spreche ich fast nie. Außer mit Evelina natürlich, aber bei ihr ist das etwas anderes. Sie sieht und hört mich ja. So wie die Tiere, wenn wir auf dem Spielplatz sind.«
    »Ja, so ist das!« Valdemar strahlte. »Als ich noch gelebt habe, dachte ich manches Mal, dass die Tiere einen siebten Sinn haben. Obwohl ich da noch nicht

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