Der Himmel so fern
dass sie sich das nicht leisten könnten. Dann zwang sie ihn, das Kleid umzutauschen, und kaufte stattdessen für das Geld den Staubsauger. Irgendwann wurde er alt und unmodern, doch sie kaufte nie mehr einen anderen.
Ich weiß eigentlich nicht, wonach ich suchte, aber irgendetwas trieb mich von Raum zu Raum. Schließlich ging ich zurück ins Wohnzimmer, ich unseliger Geist, auf der Suche nach etwas, das meine Sehnsucht nach dem Leben, das ich nun nur als Zuschauer betrachten konnte, stillen würde. Als Mikael nach Hause kam, wollte ich gerade gehen, doch das Geräusch am Türschloss hielt mich davon ab.
Er sah gar nicht so müde aus wie sonst in letzter Zeit, wenn er in die Wohnung kam, und nun zog er Schuhe und Mantel aus. Sicher tat es ihm gut, seine Kollegen wiederzusehen, dachte ich mir und tat betont heiter. Gleichzeitig bemerkte ich, dass die Unruhe wieder aufkam. Ich wollte Mikael nicht teilen, mit niemandem.
Es war ein guter Tag gewesen, besser als erwartet. Lange hatte er es vor sich hergeschoben, wieder zur Arbeit zu gehen, doch als er heute einen Besuch im Büro gemacht hatte, spürte er, wie befreiend es war, für ein paar Stunden auf andere Gedanken zu kommen. Seine Kollegen waren anfangs etwas unsicher und zurückhaltend gewesen, aber das legte sich. Ziemlich bald hatten sie wieder den üblichen Plauderton auf den Lippen und konnten ihn sogar ein paar Male zum Lachen bringen. Jetzt war er müde, und die Stille zu Hause war ihm ausnahmsweise gerade recht. Trotzdem fühlte er sich hin- und hergerissen, als er die Wohnung betrat. Auf der einen Seite war dies der einzige Ort, wo er ganz er selbst sein konnte, allein mit all den Gedanken und Gefühlen, die so viel Raum einnahmen. Auf der anderen Seite erinnerte dieser Ort ihn pausenlos an Rebecka und ihr gemeinsames Leben. Er hatte sich vorgenommen, die Wohnung zu verkaufen und sich etwas Kleineres zu suchen, doch dafür war es noch zu früh. Noch war er nicht so weit, all die Erinnerungen hinter sich zu lassen, die in diesen Mauern steckten.
Er ging in die Küche und holte, wie an so vielen anderen Abenden in letzter Zeit, Butter und Brot aus dem Schrank. Fürs Kochen hatte er sich nie besonders interessiert, auch wenn er manchmal für Rebecka und sich etwas eingekauft hatte, das in ein paar Minuten zuzubereiten war. Ein Filet, das sich schnell braten ließ, einen fertigen Salat, den man nur noch in eine Schale umfüllen musste. Aber selbst das war ihm im Moment zu viel. Er aß ohnehin mit wenig Appetit, und die belegten Brote hielten ihn bei Kräften wie jedes beliebige Gericht.
Vielleicht sollte er doch schon in der nächsten Woche wieder richtig anfangen zu arbeiten. Er nahm ein Brotmesser vom Magnethalter, der an der Wand über der Spüle angebracht war. Die Frage war nur, ob er es schaffen würde, die ganzen Gespräche zu führen, die Termine einzuhalten und so viel Enthusiasmus aufzubringen, wie von ihm erwartet wurde. Vielleicht war es doch noch etwas früh, vielleicht wartete er, bis Weihnachten vorüber war. Die Energie, die er eine Weile gespürt hatte, ging zur Neige. Wie sollte er jemals wieder voll engagiert arbeiten können, nachdem er in den letzten Jahren so oft kurz davor gewesen war, seinen Job hinzuschmeißen? Durch Rebeckas Tod war alles anders geworden. Sie hatte ihn immer zum Durchhalten animiert. Da sie nun nicht mehr da war, kamen ihm seine eigenen Argumente wieder in den Sinn. Das Leben war so kurz, wollte er wirklich noch Jahre mit etwas verbringen, das nicht mehr als ein fauler Kompromiss war?
Mikael schnitt sich zwei Scheiben von dem dänischen Roggenbrot ab. Er überlegte kurz, dann entschied er sich für eine dritte – er musste etwas essen, seine Kollegen hatten ihn auch darauf angesprochen, dass er abgenommen habe. Dann beschmierte er die Scheiben mit Butter, setzte sich an den Küchentisch und begann mit mechanischen Bewegungen zu kauen. Er warf einen Blick aus dem Fenster, obwohl er gar nichts sehen konnte. Draußen war es nun dunkel geworden, und die Küchenlampe spiegelte sich in der Fensterscheibe. Mikael holte sich ein Glas Wasser, damit sein Brot nicht so trocken war, und wischte dann mit der Hand die Krümel vom Tisch. Als er sich gerade auf den Weg zum Fernseher machen wollte, kam ihm ein Gedanke. Wie spät war es eigentlich? Halb sieben. Er hatte Sofia heute anrufen wollen, aber vielleicht war es schon zu spät? Oder gar zu früh? Schließlich hatte sie ein Kind, möglicherweise aßen sie gerade, oder sie
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