Der Himmel so fern
des Gerichtsvollziehers, bis am Ende die Räumungsklage kam. Manchmal half ich ihr finanziell aus. Nicht weil ich damals besonders flüssig gewesen wäre, aber ich tat, was ich konnte, so sah ich es jedenfalls. Ansonsten hörte ich ihr meistens nur zu, hatte aber keine Lösung parat. Wahrscheinlich enttäuschte sie das, und von einem Moment zum anderen war sie außer sich vor Verzweiflung wegen ihrer zwei kleinen Mädchen. Weil sie so eine schlechte Mutter gewesen sei. Mir wurde dann buchstäblich schlecht, und es kam auch vor, dass ich davon Migräneanfälle bekam, die mich für ein paar Tage hinter heruntergelassene Jalousien zwangen.
Am Ende waren es mehr körperliche Leiden, über die sie jammerte. Sie hatte jahrelang Magengeschwüre, unterstützte dies mit Wein und Zigaretten nach Leibeskräften, doch wenn sie aus dem Krankenhaus anrief, war ich immer wieder erstaunt, wie schlecht es ihr wirklich ging. Ich hätte mich gern gedrückt, aber wahrscheinlich war es eine Art Moralempfinden, das mich zu ihr zurücktrieb. Sie war ängstlich und hatte Schmerzen, das sah man ihr an, aber mein Besuch brachte ihr keine Linderung. Sie phantasierte über alles Mögliche, während ich versuchte, nicht so genau hinzuhören. Sie schafften es nicht mehr, sie rechtzeitig zu operieren. Ihr Magengeschwür platzte. Nur ein paar Stunden, nachdem ich gegangen war, starb sie.
Ich zwang meine Gedanken wieder zurück in die Gegenwart. Mikael erzählte gerade von seiner Arbeit und von Jens, dem Hauseigentümer, der offenbar in der Firma der Goldesel war. Drei Jahre hintereinander war er zum »Makler des Jahres« gekürt worden, einen Titel, den Mikael mit gewisser Verachtung aussprach.
»Es ist doch nicht verwerflich, wenn man hart arbeitet und dafür belohnt wird«, entgegnete ich.
»Nein, aber wenn die eigene Ehe deswegen den Bach runtergeht, ist das nicht gerade ein Erfolg.«
»Vielleicht hätten sie sich ja so oder so getrennt. Und außerdem hat er doch eine neue Freundin, hast du gesagt. Ende gut, alles gut.«
»Ich glaube, seine Exfrau und seine Kinder werden die Dinge anders sehen.«
»Man kann nicht für die anderen leben.«
»Heißt das, es ist verkehrt, Rücksicht zu nehmen?«
»Manchmal schon.«
Mikael verstummte. Ich auch. Die Teller waren leer und die Musik zu Ende. Das angenehme Prickeln des Champagners machte sich nun mehr als Druck hinter der Stirn bemerkbar.
»Wollen wir eine Runde spazieren gehen?« Mikaels Frage kam vorsichtig, und ich merkte daran, dass mein Schweigen seine Wirkung nicht verfehlt hatte. »Weißt du, hinter dem Haus stehen noch einige tolle Wochenendhäuser.« Er sah mich mit der gleichen Unsicherheit an wie eben noch im Auto, und auch dieses Mal wirkte sie beruhigend auf mich.
»Klar«, antwortete ich völlig unbeschwert. »Ich stecke nur erst meine Haare hoch, es ist ziemlich windig.«
Birger und Anna unterhielten sich bereits, als ich kam. Nach einer knappen Begrüßung sah Anna mich an und lächelte.
»Das hätten Sie sehen sollen«, sagte sie. »Birger war grandios, als wir bei diesem Josef waren.«
»Ach was.« Birger machte eine abwehrende Handbewegung, doch sein Gesicht strahlte vor Zufriedenheit.
»Was ist denn passiert?«
»Erzählen Sie selbst.« Anna nickte dem verlodderten Mann zu.
»Ja, also … Es gibt dort einen Brandmelder, und an dem habe ich ein bisschen herumgebastelt.«
»Herumgebastelt?«
»Er hat ihn in Gang gesetzt!«
»Ja. Die Jungs sprangen auf, bevor sie wussten, was überhaupt passiert war. Nach einer Weile gelang es Josef, ihn auszustellen, aber ich blieb stur und habe ihn wieder angemacht. Dann nahm er die Batterien raus. Aber …«
Anna schnitt ihm das Wort ab. »Jetzt passen Sie auf, es kommt noch besser!«
»Ich habe ihn trotzdem wieder heulen lassen.«
»Ohne Batterie? Wie geht das denn?«
Er lachte. »Den einen oder anderen Trick hat man sich doch mit der Zeit angeeignet.«
»Wie haben die Jungs reagiert?«
»Ich glaube, man kann sagen, dass diesem Josef der Kragen platzte, er hat den Apparat nämlich kaputtgeschlagen.«
»Aber Sie haben ihn wieder angemacht, stimmt’s?« Die Geschichte hatte es mir angetan, fast tat es mir leid, dass ich nicht länger geblieben war.
»Quatsch.« Birger sah etwas beleidigt aus. »Ich kann doch keinen Brandmelder anmachen, der in Einzelteilen vor mir liegt.«
»Aber ohne Batterien schon …«
»Das ist ein Unterschied«, sagte Birger energisch, ohne diesen näher zu erläutern.
»Aber erzählen Sie
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