Der Himmel so fern
meist nur, dass man ihn sieht.«
»Darf ich mal probieren?« Ich nickte zu dem kleinen Schalter, der am Kabelende saß. Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm ich ihn in die Hand. Nichts geschah, und als ich es gerade aufgeben wollte, kam mir Birger zu Hilfe.
»Sie müssen sich konzentrieren«, sagte er. »Es ist gar nicht so einfach, etwas Elektronisches in Gang zu bringen. Und was muss man tun?« Das war eine rhetorische Frage, und er sah mich provokant an. »Sie müssen sich vorstellen, dass Sie es in Wirklichkeit tun. Verstehen Sie? Ansonsten können Sie hier stehen, bis Sie schwarz werden. Da passiert gar nichts. Ein bisschen anstrengen müssen Sie sich schon!«
Eine Stimme in mir schlug Alarm, als Birger mich so grob zurechtwies. Was hatte er mir zu sagen? Nachdem ich es weiter erfolglos probiert hatte, unternahm ich noch einen Versuch nach seiner Anleitung. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie ich den Knopf mit dem Zeigefinger berührte und wie sich meine empfindliche Fingerspitze auf die harte Plastikoberfläche drückte. Lange stand ich da und nichts passierte. Gerade wollte ich aufgeben, da erklang ein Signalton, und eine kleine Lampe an der Wand begann zu blinken.
Ich lachte. »Haben Sie gesehen, ich hab’s geschafft!«
Birger und Anna gratulierten mir, aber Valdemar war sehr still. Er wollte gerade etwas sagen, da hörte man Schritte auf dem Flur. Eine Krankenschwester kam herein und sah sich um. Sie war völlig perplex.
»Aber …«, begann sie fragend und schaltete den Alarm aus. »Jetzt haben doch nicht Sie geklingelt, Frau Larsson?« Misstrauisch schaute sie auf das Bett, wo die kleine Frau in einer misslichen Lage hing. »Ist hier vielleicht ein Wackelkontakt?« Sie nahm den Alarmknopf, den ich vor kurzem noch in der Hand hatte, und betrachtete ihn. Dann drückte sie zum Testen noch einmal, und wieder ging der Alarm los. Schwester Irene, so stand es auf ihrem Namensschild, stellte ihn wieder aus. Dann ließ sie das Kopfteil des Bettes hinunter und zog Sonja hoch, so dass sie wieder mit dem Kopf auf dem Kissen zum Liegen kam. »So ist es doch besser, nicht wahr?«, fragte sie und griff nach der Decke, die ordentlich zusammengelegt an Sonjas Fußende lag. »Ist Ihnen kalt? Ich glaube, wir legen Ihnen lieber die Decke über.« Sie zog die Decke über die Patientin, die nun die Augen ganz geschlossen hatte und offenbar schlief. »Bald ist Zeit für den Kaffee, Frau Larsson, dann bin ich wieder da. So lange können Sie sich noch ausruhen.« Sie strich ihr über den Kopf und verließ dann eilig das Zimmer.
»Das war doch nicht schlecht?« Ich sah zu den anderen hinüber. »So kann man doch helfen, wenn sie wieder Hilfe benötigt. Oder was meinen Sie, Valdemar?«
»Und was stellen Sie sich vor, wie das Personal reagieren wird, wenn der Alarm jetzt von selbst jede Viertelstunde angeht?« Valdemars Tonfall klang feindselig, als er mir antwortete. »Entweder werden sie daraus schließen, dass er kaputt ist, und sich nicht mehr darum kümmern, oder sie werden misstrauisch.«
Anna sah bekümmert aus. »Da haben Sie recht«, meinte sie. »Wenn die nun denken, hier drinnen spukt es. Das wäre für Sonja nicht gerade gut.«
»Aber ist es nicht das Wichtigste, dass sie Hilfe bekommt?«, fragte ich etwas pikiert. »Man muss ja nicht bei jeder Kleinigkeit läuten, aber wenn wirklich Not am Mann ist …«
»Mir gefällt das gar nicht.« Valdemar fiel mir ins Wort. »Ich finde, dass Spukereien nicht in Ordnung sind.«
»Spukereien … jetzt übertreiben Sie aber. Und was war das bei Alex?«, widersprach ich. »War es nicht gut, dass Birger damit erreicht hat, Alex von diesem Josef zu vertreiben? Was wäre denn passiert, wenn Birger nicht ›gespukt‹ hätte?«
Valdemar grummelte. »Das muss jeder selbst entscheiden«, sagte er mürrisch. »Aber man sollte zur Kenntnis nehmen, dass es einen Unterschied gibt.«
»Was meinen Sie damit?«
»Zwischen ihnen und uns gibt es einen Unterschied. Sie sind am Leben. Wir nicht. So ist das, ob man will oder nicht.«
»Aber Sie sitzen doch jeden Tag hier. Obwohl Sie das irdische Leben verlassen haben?«, sagte ich schulterzuckend. Ich wollte ihm klarmachen, dass seine Schlussfolgerung nicht konsequent war.
»Ja.« Valdemar war ganz unglücklich. »Vielleicht sollte ich es bleibenlassen. Aber ich bringe es nicht übers Herz, sie allein zu lassen.« Obwohl er so eine stattliche Figur hatte und so korrekt gekleidet war, wirkte er in diesem Moment furchtbar
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