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Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Ingemarsson
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Ziel zu erreichen, aber sie ließ sich nie abbringen, und sie kam immer dort an, wo sie hinwollte. Schwäche oder Depressivität passten nicht zu Rebecka. Ungeduld, Frustration und manchmal vielleicht Wut, aber nicht diese Schwermut, die er immer mit Leuten in Verbindung gebracht hatte, die Selbstmord begangen hatten. Trotzdem musste sie Signale von sich gegeben haben, worauf sie hinsteuerte, Hilferufe, die er hätte verstehen müssen. Er spürte einen Druck auf seiner Brust und musste mit großer Kraftanstrengung Luft holen, um das Gefühl von Sauerstoffmangel loszuwerden.
    »Was ist los?« Sofia sah ihn besorgt an. »Du siehst so blass aus.«
    »Ach, nichts. Ich … ich habe nur überlegt.«
    »Wegen Rebecka?«
    Mikael nickte. Welche Rolle hatte er in ihrem Leben eigentlich gespielt? Er hatte sich Hals über Kopf so sehr in sie verliebt, dass sie sein Leben und seine Zukunftspläne völlig auf den Kopf gestellt hatte. Ihretwegen hatte er Dinge getan, die ihm eigentlich widerstrebten, hatte Freunde im Stich gelassen und Träume aufgegeben. So stark war ihre Anziehungskraft gewesen. Und die Angst, sie könne ihn verlassen. Die verschwand nie, auch wenn er mit der Zeit ihr Desinteresse mit größerer Gelassenheit ausgehalten hatte.
    »Wie lief es denn eigentlich zwischen euch?« Sofia sah ihm ins Gesicht.
    »Ja … Das ist nicht ganz einfach in einem Satz zu sagen. Manchmal war alles gut. Sie konnte sehr sanft und präsent sein und gut zuhören.« Mikael wurde still. Wie viel sollte er jetzt preisgeben? »Aber das kam nicht gerade oft vor«, schob er vorsichtig hinterher. Sofia nickte, und nach einer Weile fuhr er fort. »Meistens befand sie sich in ihrer eigenen Welt, arbeitete viel und so. Wobei ich das auch tat, also darf ich mich eigentlich nicht beschweren.« Er fuhr sich übers Kinn, das noch immer nicht kratzte. Er hatte sich am Morgen rasiert. Dann seufzte er schwer. »Ehrlich gesagt, eigentlich lief es nicht so gut zwischen uns.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »In fast jeder.« Mikael änderte seine Sitzposition. »Im letzten Jahr, oder auch in den letzten Jahren, ist etwas geschehen. Mit mir zumindest, vielleicht auch mit Rebecka.«
    »Was war das?«
    Er überlegte, suchte nach den passenden Worten. »In der letzten Zeit hatte ich das Gefühl, es nicht länger auszuhalten.«
    »Auszuhalten?«
    »Sie von meiner Liebe zu überzeugen.« Er sprach langsam und sah vorsichtig zu Sofia hoch. »Dieser Abstand, den sie immer hielt, war durch nichts zu beseitigen. Ich habe es so oft versucht und bin immer gescheitert. Wahrscheinlich ist mir endlich diese Einsicht gekommen. Dass es niemals anders werden würde.« Er fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Ich habe versucht, mich davon zu befreien«, erklärte er. »Unabhängig zu werden. Weißt du, was ich meine?« Er sah Sofia eindringlich an. »Sie war diejenige, die bestimmte, wie es zwischen uns lief. Am Ende war es wie ein Gefängnis.«
    »Wie ernst war es denn?«
    Von der Nachbarwohnung hörte man den Fernseher, und der Heizkörper knackte leise. In seinem Kopf tauchte ein Gedanke auf, und ohne, dass er ihn bremsen konnte, war er schon formuliert und ausgesprochen. »Ich habe über eine Scheidung nachgedacht.« Sein Mund war trocken, und er spürte auf seiner Zunge einen sauren, stumpfen Nachgeschmack vom Wein. Was sollte Sofia jetzt von ihm denken? Wenn es die Wahrheit war, hätte er an dieser Stelle genauso gut zugeben können, dass er Rebecka den Todesstoß versetzt hatte.
    »Hast du nie mit ihr darüber geredet?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Es war ja nur ein Gedanke. Vielleicht nicht mehr als das.«
    »Aber er ist dir in den Sinn gekommen. Was hat dich davon abgehalten?« Sofias Neugier war geweckt.
    »Ich weiß nicht …« Mikael bemühte sich, eine Antwort zu finden. »Vielleicht die Vorstellung, dass sie nur mit den Achseln zucken und sagen würde ›Okay, dann lassen wir uns eben scheiden‹.«
    »Aber wenn du dich wirklich trennen wolltest, dann wäre es doch egal gewesen, wie sie darauf reagierte?«
    »Aber ich wollte es ja nicht. Nicht wirklich.«
    »Du wolltest sie nur wachrütteln, stimmt’s?«
    Mikael sah auf. »Ja«, sagte er. »Wahrscheinlich war es das. Ich wollte, dass sie mich als etwas Wertvolles ansieht. Etwas, das sie aufs Spiel setzt. Ich glaube, der Gedanke ist ihr nie gekommen, dass ich verschwinden könnte. Und auch wenn ich es getan hätte, wäre es vermutlich egal gewesen. So ein Gefühl hatte ich jedenfalls. Es war, als

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