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Der Himmel so fern

Der Himmel so fern

Titel: Der Himmel so fern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kajsa Ingemarsson
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viel zu Hause bin.«
    Sofia nickte langsam. Mikael wurde nachdenklich, als er ihr Gesicht sah.
    »Du findest es wohl nicht so toll, eine Putzfrau anzustellen?«
    »Ich weiß nicht. Ich kenne niemanden, der eine hat.«
    Sie nippten an ihren Gläsern, dann fuhr Mikael fort. »Wo arbeitest du eigentlich? Ich habe noch gar nicht gefragt. Entschuldige, das war wirklich unhöflich von mir.«
    Sofia lächelte ihn an. »Ich fand das ganz angenehm«, antwortete sie. »Meistens ist es ja das Erste, wonach die Leute fragen. Als ob sie einen Mensch besser einordnen können, wenn sie wissen, welchen Beruf man hat.« An ihrem Gesicht war abzulesen, was sie davon hielt. »Ich arbeite in einem Altenpflegeheim. Da kommen die Menschen hin, wenn sie sich nicht mehr selbst versorgen können. Quasi die letzte Station.«
    »Klingt deprimierend.«
    »Man gewöhnt sich daran. Aber du hast schon recht, es gibt viele tragische Fälle. Alte Menschen, die ganz allein sind, weil niemand sie besucht. Daran zu denken ist schon unheimlich, das wünscht sich niemand. Dann sterbe ich lieber völlig unerwartet, mitten im Leben, als in einem Krankenhausbett vor mich hin zu siechen. Manche können weder sprechen noch sich anderswie ausdrücken, und viele sind geistig verwirrt.«
    »Ist die Arbeit anstrengend?«
    »Ich muss schon einiges heben und schleppen und so, aber das Schwerste daran ist eigentlich, die Einsamkeit aushalten zu müssen, die man einigen ansieht. Aber es gibt auch vieles, worüber man sich freut, und meine Kollegen sind alle sehr nett. Wir haben viel Spaß bei der Arbeit.«
    Mikael betrachtete sie, während sie sprach. Wie verschieden die Schwestern doch waren. Noch immer irritierte ihn ihre äußerliche Ähnlichkeit, auch die Stimmen, aber ansonsten konnte man kaum Gemeinsamkeiten feststellen. Die Entschiedenheit, die Rebecka auszeichnete, fehlte Sofia völlig. Oft überlegte sie eine Weile, ehe sie auf seine Fragen antwortete, als ob sie nachdachte, was sie eigentlich sagen wollte. Rebecka zögerte nie und hatte immer eine Antwort parat, auch wenn ihre Antworten oft darauf abzielten, dass er aufhören solle zu fragen. Sofia schien es am Herzen zu liegen, dass er sie verstand. Bei Rebecka hatte er oft das Gefühl, dass er ein Hindernis in ihrer Gedankenwelt war. Als ob er ärgerlicherweise immer einen Schritt hinterherhinkte und alles erklärt bekommen musste wie ein Kind. Doch es war nicht nur Rebeckas Härte, die Sofia nicht besaß. Es war auch ihre Stärke. Für Mikael war sie so selbstverständlich gewesen, dass es ihm erst jetzt bewusst wurde, weil Sofia anders war.
    »Dann gefällt es dir dort?«, fragte er.
    »Meistens. Es ist eine gute Arbeit. Zwar schlecht bezahlt, aber meine Vorgesetzten waren sehr verständnisvoll, als ich alleinerziehend wurde. Man kann ja kaum Überstunden machen, wenn man ein kleines Kind hat. Ich habe jetzt die Arbeitszeiten, die für uns passen. Das ist doch auch etwas wert, oder?«
    Mikael nickte, doch ihre Schlussfolgerung war für ihn ungewohnt. Rebecka hätte dieselben Argumente gehabt, aber einen andern Schluss daraus gezogen. Sofia schien zu bemerken, was in seinem Kopf vor sich ging.
    »Für Rebecka war die Arbeit das Wichtigste, stimmt’s? Eltern sein verlangt viel Zeit. Und viel Kraft.« Sofia schüttelte langsam den Kopf. »Aber natürlich würde ich niemals tauschen wollen. Ich habe mich dafür entschieden, und deshalb kann ich doch nicht plötzlich kommen und auf alle neidisch sein, die das haben, was ich nicht habe. Es gab eine Zeit, da beneidete ich Rebecka um ihre Karriere und ihre Freiheit und das viele Geld. Ich glaubte, sie schwebte über uns allen. Aber …«
    »Aber was?«
    Sofia zuckte mit den Schultern. »Offenbar bezahlte sie einen sehr hohen Preis dafür.«
    »Was meinst du damit?«
    »Na ja … die Geschichte hat ja kein glückliches Ende genommen.«
    Mikael saß eine Weile schweigend da. »Denkst du, sie hat es deshalb getan?«, fragte er sie dann. »Weil sie mit den hohen Anforderungen nicht mehr klarkam?«
    »Keine Ahnung. Irgendeinen Schmerz muss sie in sich getragen haben. Sonst bringt man sich doch nicht um?«
    Mikael wandte den Blick ab. Ja, etwas in Rebecka musste geschmerzt haben. Etwas, das so stark und fordernd war und so viel Energie hatte, dass sie sich am Ende nicht mehr wehren konnte. Dieser Gedanke war fast unmöglich zu denken. Wie er Rebecka kannte, gab es nichts, dem sie sich nicht widersetzen konnte. Manchmal musste sie einen Schlenker machen, um ihr

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