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Der Himmel ueber Dem Boesen

Der Himmel ueber Dem Boesen

Titel: Der Himmel ueber Dem Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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diesen Moment geschaffen worden, dachte Lol. Sie kurbelte ihr Fenster herunter.
    «Die Luft ist so mild. Das liegt vielleicht an den Sandsteinmauern.»
    Lols altersschwacher Astra klapperte über eine lange Brücke, die dann zu einer Art Damm wurde, mit grünen Parks, die das Flussufer zu ihrer Linken säumten, und Sandsteinklippen zu ihrer Rechten. Es gab auf dieser Seite keine Vororte; man kam in die Stadt hinein und war fast schon im Zentrum, sodass man ein befestigtes Tor erwartet hätte. Stattdessen gab es einen einzelnen mittelalterlichen Turm, der in die roten Mauern eingebaut war: Viktorianische Gotik, aber es passte.
    Moira nickte anerkennend. «Bei diesem Ort hat jemand alles richtig gemacht.»
    Lol warf ihr einen Blick zu. Sie redete oft, als reagierte sie auf einen sechsten Sinn, den sie nicht länger in Frage stellte.
    Laut Gomer Parry hatten in Ross nur noch behinderte Taxifahrer ein Anrecht auf einen Parkplatz. Aber es war Sonntag, und Lol fand einen Parkplatz oben auf dem Hügel, kurz vor den ersten Geschäften.
    Er schloss das Auto ab. Moira wartete auf ihn, an eine Hausmauer gelehnt, mit einem schwarzen Wolltuch um die Schultern, und sah auf den gewundenen Fluss hinab.
    «Wo finden wir diesen Typen?»
    Lol sagte fast: «Wo
sollen
wir ihn denn finden?» Diese Frau schien Dinge nach Wunsch passieren lassen zu können. Als Lol im Gemeindehaus angerufen hatte, um Sam Hall eine Nachricht zu hinterlassen, war Sam selbst ans Telefon gegangen, als hätte er dort auf Lols Anruf gewartet.
«Klar, lass uns das gleich machen. Aber nicht hier. Treffen wir uns in der Stadt. Sagen wir, in anderthalb Stunden?»
    «Er hat gesagt, auf dem Friedhof wird er uns schon finden.» Lol sah in die Richtung des Kirchturms eine schmale Straße hinauf, die sonntäglich still war. Es wehte kein Wind, und die Dämmerung umfing sie wie kupferfarbener Rauch.
    Und Moira sagte: «Du bist also wirklich bereit zu diesem Gig, ja?»
    Sie gingen ein paar Stufen hinauf zum Friedhof, ihre Schritte hallten von den Mauern wider.
    «Das Angebot ist also noch   … äh.»
    «Das steht noch, ja.» Moira, die die Dinge davon überzeugte, dass sie passieren sollten, nahm seinen Arm und legte ihn um sich. «What a difference a death makes, hm?»
    Auf Lols Bauch traf so etwas wie ein Kieselstein.
     
    «Direkt unter euren Füßen», sagte Sam Hall, «liegen Hunderte von Toten. Begraben in ihrer Kleidung – keine Totenhemden, keine Särge.»
    Sam hatte sie am Rand von
The Prospect
gefunden, einem Plateau hinter der Kirche, von dem aus man den Fluss sehen konnte und dahinter ungefähr vierzig Kilometer Landschaft, die zu den Hängen der Black Mountains an der walisischen Grenze anstieg.
    Er hatte erklärt, dass es da oben einen Bischofspalast gegeben hatte, einen zweiten Wohnsitz für die Bischöfe von Hereford, die jahrhundertelang die größten Grundstückseigentümer in dieserGegend gewesen waren. Inzwischen war
The Prospect
überwiegend in einen öffentlichen Park umgewandelt worden.
    Moira hatte sich umgesehen und ein Ende ihres Tuchs über die Schulter geworfen. «Keine Stromleitungen weit und breit.»
    «Oh, doch», hatte Sam gesagt. «Kommt mit. Ich zeig euch was.» Er hatte sich abrupt umgedreht und war mit dem ausgreifenden Schritt eines erfahrenen Wanderers den Pfad zurückgegangen, einen kleinen Rucksack über der Schulter, als wäre er nur eine weitere Falte in seiner Schottenjacke. Sie gingen unter dunkel belaubten Bäumen zurück zum Friedhof, von dem aus ein gerader Weg direkt ins Stadtzentrum führte.
    Kurz bevor der Weg endete, gegenüber einer schattigen Häuserreihe, stand auf einem sechseckigen Stufensockel ein Steinkreuz. Sam Hall setzte den Fuß auf die erste Stufe.
    «Das ist das Pestkreuz. 1637 hat die Pest hier mehr als dreihundert Menschen das Leben gekostet. Die große Plage. Ross wurde unter Quarantäne gestellt. Der ganze Handel mit der Außenwelt fand unten bei der Brücke statt, und sie haben sogar das Geld im Fluss gewaschen. Nicht einmal ein Gottesdienst hat hier noch stattgefunden. Und die Toten   …»
    Lol sah Moira an, die sehr still dastand, die weiße Strähne in ihrem schwarzen Haar glänzte im letzten Licht, und zusah, wie Sam bis zur dritten Stufe hinaufstieg und eine Hand auf den Querbalken des Kreuzes legte.
    «Die Toten sind in Gruben verscharrt worden, genau hier», sagte Sam. «Nachts. ‹In der Bekleidung, die sie am Leibe trugen›, so steht es in den zeitgenössischen Berichten. Die Leichen wurden

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