Der Himmel ueber Dem Boesen
in der ehemaligen Sozialbausiedlung.»
«Ja, aber wo genau? Genau in dem Bogen des Wendehammers am Ende des Goodrich Close nämlich. Dieser verdammte Hochspannungsmast – auf dem nächsten in der Reihe ist Roddy Lodge gestorben – steht beinahe im Garten hinterm Haus. Die Leitungen führen direkt darüber. Noch dazu ist dort in der Nähe der Verstärkermast für das Fernsehsignal im Tal und … den Rest spare ich mir, aber sie wohnte sehr nahe am Zentrum des Hotspots bei Lodges Garage und der alten Baptistenkapelle.»
«Also glauben Sie …» Merrily ahnte so langsam, worauf das alles hinauslief. Sie dachte an Kanonikus Dobbs’ Einschätzung, dass Melanie Pullman eine echte Halluzination oder ein Traumerlebnis gehabt und diese Erfahrungen nicht erfunden hatte. «Sie glauben, dass der Elektromagnetismus bei ihr Auswirkungen wie zum Beispiel Schlaflosigkeit hatte und dass diese Halluzinationen nach sich gezogen haben könnten. Genau wie bei Ihrem Freund, der in der Wüste von Nevada unter den Hochspannungsleitungen gelebt hat?»
«Was wir zu der Zeit allerdings seinem langjährigen Drogenkonsum zugeschrieben haben. Übrigens bin ich nicht der Einzige, der diesen Standpunkt vertritt. Es sind eine Menge Untersuchungen durchgeführt worden – na gut, eher im Bereich der Alternativwissenschaften, aber so fängt es meistens an –, die eine Beziehung zwischen Erfahrungen mit Außerirdischen oder Geistererscheinungen und Hochspannungsleitungen nachweisen, üblicherweise auch in Verbindung mit anderen Strahlquellen wie Verstärkermasten für Fernsehsignale, Handynetze oder Transformatoren. Da könnte ich Dutzende von Beispielen anführen.»
«Na ja, gut … aber wie lautet die Erklärung?»
«Die Wirkung von Magnetfeldern auf das Gehirn … beziehungsweisebestimmte Bereiche des Gehirns … die Bestrahlung der Schläfenlappen zum Beispiel, kann einen Eindruck hervorrufen, den man ‹Anwesenheit› nennen könnte. Den Eindruck, nicht allein zu sein. Die Stimulation der mittleren Hirnscheidewand kann intensive sexuelle Empfindungen hervorrufen, und das erklärt …»
«Allerdings kam in Melanies Fall noch eine vaginale Infektion dazu, wenn ich mich richtig erinnere.»
«Mrs. Watkins …» Sam hob die Hände. «Ich würde niemals behaupten, dass ich mich mit Frauenkrankheiten auskenne. Trotzdem kann ich Ihnen versichern, dass das Wachstum von Pilzbakterien des Candida-Typs verstärkt wird, wenn man einem erhöhten Grad elektromagnetischer Strahlung ausgesetzt ist. Sie können das gerne in medizinischen oder wissenschaftlichen Untersuchungen nachschlagen.»
«Darf ich rauchen?»
«Kommt drauf an, was für ein Feuerzeug Sie benutzen … Nein, das war ein Scherz, machen Sie nur. Wenn Tabak unsere einzige Sorge wäre, dann wäre ich ein sehr viel glücklicherer Mann. Sehen Sie, Mrs. Watkins, solche Geschichten helfen mir und der Sache ganz bestimmt nicht, und deshalb rede ich auch nicht gerne darüber. Erzählen Sie den Leuten, dass sie Leukämie oder einen Hirntumor bekommen könnten, und Sie haben ihre volle Aufmerksamkeit. Aber wenn Sie sie vor Außerirdischen warnen oder vor Geistern im Schlafzimmer, dann seufzen die Leute bloß erleichtert und sagen: ‹Puh, dann kann das mit dem Krebs ja auch nicht stimmen.› Glauben Sie mir, diesen Scheiß kann ich wirklich nicht brauchen. Es tut mir leid, wenn Sie sich dadurch in Ihrer Berufsehre gekränkt fühlen, das war nicht meine Absicht.»
«Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Wie ist es mit Melanie weitergegangen?»
«Sie hat in einer Drogerie in Ross gearbeitet, und irgendwann habe ich mich mit ihr in der Mittagspause getroffen, und da hat sie mir alles erzählt. Zum Beispiel, dass sie eine Zeitlang außerstande war, Fernsehen zu schauen, und deshalb nach oben in ihr Schlafzimmer gegangen ist – was ihren Zustand natürlich nur verschlimmerte. Ihr Zimmer lag nämlich hinten im Haus, also ganz nahe an dem Hochspannungsmast, und die Leitungen verliefen direkt darüber. Sie konnte nicht schlafen und … aber den Rest kennen Sie ja. Außerdem hat sie zu dieser Zeit zunehmend allergisch auf ihren Arbeitsplatz reagiert … in dieser Drogerie hängen überall große, voltstarke elektrische Lampen. Ich habe ihr geraten, sich einen anderen Job zu suchen – irgendwas, wo es zumindest nicht so hell beleuchtet ist.»
«Und war sie zu dieser Zeit mit Roddy Lodge zusammen?»
«Schon ungefähr ein Jahr lang. Sehen Sie, das war, bevor sich
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