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Der Himmel ueber Dem Boesen

Der Himmel ueber Dem Boesen

Titel: Der Himmel ueber Dem Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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nicht! Darf ich jetzt vielleicht auch mal   …?»
    «Nein, ich will kein Wort mehr hören, verdammt», sagte Merrily ruhig. «Sie erschrecken mit Ihrem Gebrüll die Katze.» Sie setzte sich so weit wie möglich von beiden entfernt ans Kopfende des langen Tisches. «Und mich auch.»
    Huw sah sie an, als würde er jetzt erst mitbekommen, wo er sich eigentlich befand. «Tut mir leid.»
    Sein Anblick erschreckte Merrily, so sehr hatte er sich in nur ungefähr sechs Monaten verändert. Er trug sein Klerikerhemd und den alten, leicht vergilbten Priesterkragen unter einem geflickten Tweed-Jackett. Diese Aufmachung wirkte eher heruntergekommen als lässig. Sein langes Haar war trocken und schuppig, und über seine Wangen zogen sich lange Falten, die sie früher nie bemerkt hatte – sie sahen aus wie Messernarben. Sein Atem ging schwer.
    «Ausnahmsweise sind die Zeitungen mal alle am gleichen Tag damit gekommen.
West
,
West,
überall
West
. Alle wollen den nächsten West aus ihm machen.»
    «Und was wollen
Sie
?» Frannie Bliss’ Gesicht war unter seinen Sommersprossen rot angelaufen. «Sollen wir etwa nichts tun? Sollen wir die Vermissten eben vermisst sein lassen, die Toten irgendwo vergraben?»
    Huw schloss die Augen und stützte sich mit den Fingerknöcheln auf den Tisch. So blieb er mehrere Sekunden stehen, bevor er lange ausatmete, die Augen aufschlug und ein reuiges Lächeln aufsetzte.
    «Hallo, junge Frau.»
    «Hallo, Huw.»
    «Diese Frau», sagte Huw zu Bliss, als hätten die letzten paar Minuten gar nicht stattgefunden, «Lynsey. Haben von ihr Stücke gefehlt?»
    «Stücke?»
    «Knochen. Finger. Zehen.»
    «Weil Fred West Leichenteile abgeschnitten hat?»
    «Genau.»
    «Worüber reden Sie da?», fragte Merrily.
    «Sämtlichen Opfern Wests», erklärte ihr Bliss, «fehlten Knochen.Meistens von Fingern und Zehen, aber bei manchen auch Schulterknochen. Als ob er sich ein paar Souvenirs aufheben wollte.»
    «Das war ein weiterer Grund dafür, dass die Polizei von Gloucester einen okkultistischen Hintergrund vermutete», sagte Huw. «Ein Ritual   … er hatte es nur auf ganz bestimmte Knochen abgesehen.»
    «Ich habe so schnell gelesen, wie ich konnte», sagte Merrily. «Bis zu dieser Stelle bin ich offenbar noch nicht gekommen.»
    «Am Ende muss er eine ziemliche Knochensammlung gehabt haben – wir haben über hundert fehlende Knochen gezählt. Keiner davon ist jemals gefunden worden.» Bliss wandte sich an Huw. «Nein, so weit ist Roddy nicht gegangen. Nicht bei Lynsey. Andererseits war sie auch nicht gerade das
typische
Opfer, oder?»
    «Bei West gab es auch keinen klar definierbaren Opfertyp.» Huws Stimme klang hart. «Die meisten von ihnen sind einfach nur gestorben, weil sie keinen anderen Ort hatten, an den sie gehen konnten.»
    Merrily zuckte zusammen.
    «Was ich sagen will», erklärte Frannie Bliss, «ist, dass Roddy Lynsey möglicherweise getötet hat, weil sie herausgefunden hatte, was er plante. Nicht einfach, weil er Dampf ablassen musste.»
    «West hat seine eigene Tochter Heather umgebracht, weil sie vorhatte, aus diesem ach so glücklichen Elternhaus auszuziehen», sagte Huw. «Hat die Geduld mit ihr verloren.» Er sah Merrily an. «Erinnern Sie sich an Donna Furlowe?»
    «Nein. Wer war sie?»
    Huw wischte über einen Kaffeefleck auf seinem Ärmel. Vielleicht glaubte er so überspielen zu können, dass er die Frage nicht beantwortete. Was zum Teufel war nur mit ihm los?
    «Erzählen Sie ihr den Rest, Huw», sagte Bliss. «Anschließend kann Merrily Ihnen von dieser großartigen pseudowissenschaftlichenTheorie berichten, nach der Lodge keineswegs ein psychotischer Serienmörder war, sondern nur ein Opfer seiner Umgebung. Das könnte auf eine Menge Leute sehr beruhigend wirken.»
    Huw sah Merrily mit seinem Wolfshundblick an.
    «Ich gehe jetzt nach Hause», sagte Bliss, «und versuche mich daran zu gewöhnen, mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen, die mich mittlerweile kaum noch besser ausstehen kann als ich meine Kollegen.»
     
    Merrily hatte die Lampe aufs Fensterbrett zurückgestellt. Huw trank Tee und tauchte gelegentlich einen Schokoladenkeks hinein. Er hatte sich etwas beruhigt.
    «Das soll also ein Dorf sein, das von einer Plage des einundzwanzigsten Jahrhunderts heimgesucht wird, ja? Würden
Sie
sich Sorgen machen, wenn Sie dort leben müssten?»
    «Ehrlich gesagt», erklärte Merrily, «habe ich noch vor kurzem gedacht, wie viel aufregender Underhowle doch ist – wie viel

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