Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Himmel ueber Dem Boesen

Der Himmel ueber Dem Boesen

Titel: Der Himmel ueber Dem Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
für Mick Hunter, den früheren Bischof von Hereford, und seine New-Labour-Freundewar unvergesslich. Jetzt lehnte er sich zurück. In dieser Beleuchtung wirkte es, als seien seine Wangen leicht abgesackt.
    «Irgendwann bin ich nachmittags einmal in die Kathedrale gegangen. Das war im August 93.   Es war komisch, ich hatte nämlich überhaupt nicht vorgehabt, dort reinzugehen. Ich wollte im Kwiksave Lebensmittel kaufen, aber der Parkplatz war voll, und überall liefen Horden von Touristen herum. Ich hatte keine Lust, meine Einkäufe ewig weit zu schleppen, also beschloss ich, es später nochmal zu versuchen, und habe das Auto an der Kathedrale abgestellt. Dann hab ich eben mal reingeschaut, wie man es so macht. Beziehungsweise in meinem Fall, wie man es eher selten macht. Und da saß diese Frau ziemlich weit hinten in einer Bank, und die Tränen liefen ihr übers Gesicht.» Er sah zu Merrily hinüber. «Ich habe sie in Ruhe gelassen. Man sah ja, dass sie alleine sein wollte. Also habe ich nichts gesagt und bin wieder rausgegangen.»
    Merrily stellte sich die Kathedrale von Brecon vor. Den staubigrosafarbenen Steinbau, der am Rande der Stadt in der Nähe der Burgruine stand. Im Gegensatz zu anderen Kathedralen war die von Brecon normalerweise ein sehr stiller Ort.
    «Jedenfalls habe ich mich dann draußen auf den Rasen gesetzt. Es war unheimlich warm. Die Vögel haben gezwitschert, und ich wäre beinahe eingeschlafen. Ich habe sie nicht bemerkt, bis sie ganz nahe an mir vorbeiging, ohne mich anzusehen, als wäre ich irgendein Penner. Im letzten Moment habe ich die Augen aufgemacht und ohne zu überlegen, gesagt: ‹Wenn Sie wollen, sagen Sie einfach, dass ich Sie gefälligst in Ruhe lassen soll   …›»
    Merrily schüttelte den Kopf. Wer hätte da widerstehen können? Es war keine Überraschung zu erfahren, dass Huw und Julia Furlowe eine Viertelstunde später bei einem Tee zusammen im Café gesessen hatten.
    Ihre Tochter wurde vermisst. Ihr einziges Kind. Donna hatte gerade ihren Abschluss am Christ College in Brecon gemacht undsich für das Herbstsemester in Oxford eingeschrieben. Dazwischen hatte sie sich einen Ferienjob in den Cotswolds, in einem Hotel in der Nähe von Stroud, gesucht. Obwohl es zwei Stunden Fahrt von zu Hause entfernt war und Donna deshalb dort übernachten musste, war es ein guter Job, denn die Eigentümer des Hotels waren alte Freunde der Familie, die ein bisschen auf sie aufpassen würden. Donna war zwar schon achtzehn, aber, wie ihre Mutter sagte, noch ziemlich unreif.
    Und dann wurde sie vermisst. Sie hatte sich von einem der Köche nach Cheltenham mitnehmen lassen, wo sie einkaufen gehen wollte, und sich mit ihm um halb fünf zur Rückfahrt auf dem Parkplatz verabredet. Doch als der Koch mit zehnminütiger Verspätung bei seinem Auto ankam, war Donna nicht da. Und als sie nach einer Stunde immer noch nicht aufgetaucht war, rief er im Hotel an, um festzustellen, ob sie vielleicht schon allein zurückgefahren war. Und als um neun Uhr abends immer noch niemand etwas von ihr gehört hatte, riefen die Hotelbesitzer zuerst Julia und dann die Polizei an.
    Drei Wochen waren es schon und keinerlei Hinweise. Na ja, was wollte man in Cheltenham im August auch erwarten? Davon abgesehen wurden öfter einmal junge, achtzehnjährige Mädchen als vermisst gemeldet. Vor allem im Sommer. «Versuchen Sie, sich nicht zu viele Sorgen zu machen», hatte die Polizei gesagt.
    Aber Julia wusste genau, dass etwas passiert sein musste. Sie hatte zu ihrer Tochter schon immer ein sehr enges Verhältnis, und es war noch enger geworden, seit ihr Mann, Tim, völlig überraschend an einem Herzinfarkt gestorben war.
    Der
Brecon and Radnor Express
hatte über den Fall berichtet. Huw musste den Artikel übersehen haben. Julia Furlowe kam jeden Tag zum Beten in die Kathedrale. Das hatte Huw nicht mitbekommen können, er war seit Wochen nicht dort gewesen.
    In der darauffolgenden Woche fuhr er mit Julia nach Stroudund Cheltenham, wo sie mit einem Foto in der Hand die Leute auf der Straße fragten: «Haben Sie dieses Mädchen gesehen?» Wer sie gesehen hatte, musste sich an sie erinnern. Sie war ausnehmend hübsch, mit weichem dunkelblondem Haar. Genau wie ihre Mutter, Julia Furlowe, seit sechs Jahren Witwe, eine Tochter. Sie stammte aus Südengland, und nun war sie in Wales gestrandet. Allein in einem luxuriös restaurierten Bauernhaus mit Blick auf den Usk, verbrachte sie ihre Zeit mit Landschaftsmalerei, schuf vollendete

Weitere Kostenlose Bücher