Der Himmel ueber Dem Boesen
Aquarelle und Gouachen, die sie in Kunstgewerbeläden in der Gegend verkaufte.
«Ich habe mich zurückgehalten», sagte Huw. «Wie man es in so einer Situation macht. Am Ende habe ich mich sogar noch zurückgehalten, als
sie
schon etwas anderes erwartet hat. Getrennte Zimmer auf den drei ersten Fahrten. Bei der vierten wurde das dann allmählich lächerlich. Wir haben jeden Abend zusammen gebetet, sind immer in die nächstbeste Kirche gegangen. Haben uns nebeneinandergekniet und zu Gott gebetet, dass mit Donna alles gut wird.»
Merrily sah Huw an. Seine Haut wirkte blass und rau in dem schwachen Licht. Ihr ging der Ausspruch «In Sack und Asche gehen» durch den Kopf.
«Wir haben nicht zusammen gewohnt. Ich habe um die Wochenenden herum immer ein paar Tage bei ihr in Bwlch verbracht. Was für eine verdammt seltsame Atmosphäre das war. Liebe und Traurigkeit. Liebe und Angst. Liebe und Stress, Liebe und Verzweiflung. Wir haben uns angewöhnt, darüber zu reden, wie es sein würde, wenn Donna wieder auftauchte. Womöglich mit einem Baby auf dem Arm. Julia hatte sich darauf eingestellt … es hätte sie nicht gestört. Und ich habe mich gefragt, wie Julia wohl aussähe, wenn sie einmal richtig von Herzen lachen könnte.»
Sie verbrachten Weihnachten zusammen. Weihnachten 1993, das erste Weihnachtsfest ohne Donna. Am Morgen des Weihnachtstageskam Julia in Huws Kirche, oben in den Beacons. Die Leute aus dem Dorf kannten sie inzwischen und sparten sich ihre Kommentare. Eine Bauersfrau sagte, sie würde sich für Huw freuen – ein Pfarrer, der all die Zeit ganz allein in den Bergen lebte, das war ihr noch nie richtig erschienen. In dieser Nacht hatte Julia sehr lange geweint.
Am nächsten Tag begann sie den schneebedeckten Pen-y-fan zu malen, dann aber unterbrach sie sich, weil sie nach Hause wollte. Was, wenn Donna mittlerweile zurückgekommen war? Was, wenn sie zu Silvester käme? Donna hatte Silvester schon immer gemocht.
Aber Donna kam zu Silvester nicht zurück.
An einem Tag Ende Februar holte Huw auf dem Weg zu Julia wie üblich ihre Zeitung im Laden unten in Bwlch ab, und als er im Haus war, warf er die Zeitung achtlos auf den Couchtisch in dem riesigen Wohnzimmer.
Julia hatte einen flüchtigen Blick darauf geworfen, die Zeitung dann in die Hand genommen, und Huw würde sein Leben lang den Blick nicht vergessen, mit dem Julia in ihrer Rocktasche nach ihrer Lesebrille tastete, während sie mit der anderen Hand die Zeitung auf Armeslänge von sich entfernt hielt.
«Das ist
Fred
», hatte sie leise gesagt.
Die Zeit schien stehenzubleiben, denn Huw hatte den Artikel schon gelesen, ohne etwas anderes als Abscheu zu empfinden, und Julia hatte nicht die geringste Ahnung, worum es in dem Beitrag ging, sie hatte einfach nur das Bild gesehen. Noch heute lag Huw manchmal im Bett und hörte Julias Stimme in sich nachklingen:
Das ist Fred … das ist Fred … das ist Fred …
«Er hatte ein paar Mal für ihren Mann gearbeitet», sagte Huw. «Das war Jahre her, noch bevor sie nach Wales umgezogen waren. Als Donna noch ein kleines Mädchen war. Als sie noch in Highnam bei Gloucester wohnten. Und Fred war einfach unvergesslich –er war so ein fröhlicher kleiner Mann und ein unglaublich guter Handwerker. Es gab nichts, was er nicht gekonnt hätte, dieser Fred. Und immer hatte er ein Lächeln für einen übrig. Immer ein Lächeln für die Dame des Hauses. Und ein breites Grinsen für die kleine Donna.»
Huws Augen wirkten wie aus Glas. «Oh, mein Gott», flüsterte Merrily.
«Das war in der Anfangsphase … sie hatten in der Cromwell Street 25 die ersten Leichen gefunden. Freds Tochter Heather und zwei weitere Mädchen. Shirley und Alison. Innerhalb einer Woche hatte er neun Morde gestanden, und das ganze verdammte Land starb fast vor Sensationsgier. Im April haben sie zwei Felder bei Much Marcle und Kempley umgegraben. Dabei haben sie seine erste Frau Rena gefunden. Und zwei Monate später Ann McFall auf dem Fingerpost Field.»
«Sind Sie zur Polizei …?»
«Natürlich. Genau wie die Verwandten jedes anderen vermissten Mädchens im weiten Umkreis von Gloucester. Und als herauskam, dass Fred für Tim Furlowe gearbeitet hatte, dass er Tims Familie gekannt hatte … Sie müssen wissen, dass all diese Mädchen keine zufälligen Entführungsopfer waren. West kannte sie alle schon vorher. Sogar Lucy Partington, die Studentin, bei der es zuerst so aussah, als hätte er sie sich einfach von der Straße
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