Der Himmel ueber Dem Boesen
bestimmt nicht über Uriel, der nur im Buch Esras in den Apokryphen auftaucht – und die sind nicht so richtig anerkannt.»
«Die Bibel ist öfter zensiert worden, als du oder ich jemals erfahren werden», sagte Jenny Box. «Uriel ist das göttliche Feuer, eine Energie des Lichts, des Sommers und der Wärme. Also muss dieser Engel weiblich sein. Und das ist meiner Vermutung nach auch der Grund, aus dem sie so lange totgeschwiegen wurde.»
Jane stellte fest, dass sie unter dem Tisch die Hände ineinander verkrampft hatte. Sie löste ihre Finger voneinander. «Das wäre dann die Uriel, die … über der Kirche stehen soll?»
«Sie hat dir davon erzählt?» Das schien ihr überhaupt nichts auszumachen.
«Sie redet über alles mit mir. Wir haben ein sehr enges Verhältnis.Sie …» Jane zögerte.
Scheiß drauf
. «Sie hat mir auch von dem Geld erzählt.»
«Ach ja», sagte Jenny Box. «Das Geld. Unglaublich, wie wichtig alle Welt das Geld nimmt.»
«Ich meine … haben
Sie
es gebracht?»
Mrs. Box zog eine fein gezupfte Augenbraue hoch. «Eine anonyme Spende ist eine anonyme Spende, Jane. Ich fand immer, dass sämtliche Spenden an die Kirche anonym erfolgen sollten. Schließlich ist die Aufnahme ins Himmelreich nicht käuflich, nicht wahr, Jane?»
«Sie sind ziemlich gerissen, oder?», sagte Jane.
Jenny Box lachte. «Die Jahre im Fernsehgeschäft. Die wird man nicht so leicht los. Also gut, wo ist deine Mutter wirklich?»
Jane zuckte unbehaglich mit den Schultern. «Ross, glaube ich.»
«Underhowle.»
«Kann sein.»
«Darüber wollte ich mit ihr sprechen. Ich habe sämtliche Zeitungsartikel darüber gelesen. Es ist wichtiger, als sie ahnen kann … vielleicht war schon ihr ganzes Leben darauf ausgerichtet, verstehst du?» Sie lächelte Jane an. «Ich bin sicher, dass du das verstehst.»
«Nein.» Langsam wurde Jane ein bisschen wütend. «Nein, ehrlich gesagt verstehe ich das
nicht
.»
«Oh? Hast du nicht gesagt, sie erzählt dir alles?»
«Aber offenbar nicht so viel wie Ihnen.»
Die Augenbraue wanderte wieder in die Höhe wie ein Goldfisch, der mit der Schwanzflosse zuckt.
«Sie haben in Wirklichkeit noch nie einen Engel gesehen, stimmt’s, Mrs. Box?», sagte Jane.
Mrs. Pawsons Arme hingen steif herunter. Lol sah die Knöchel weiß aus ihren kleinen Fäusten heraustreten. Seltsamerweise hatte er festgestellt, dass er anfing, sie zu mögen. Sie wirkte kein bisschen neurotisch, eher sehr stark. Unter normalen Umständen hätte sie auf dem Land bestens zurechtkommen können.
Sie warteten in einem Flur mit Teppichboden und cremeweiß gestrichenen Wänden, während Hotelgäste auf dem Weg zum Abendessen an ihnen vorbeikamen.
«Mr. Robinson, ich bin gewöhnlich keine Mimose, und wenn ich geglaubt hätte, dass es irgendwem etwas nützt, hätte ich der Polizei davon erzählt. Aber er ist tot. Lodge ist tot, und … oh …»
Sie hatten beide das kurze Aufblitzen des Kreuzes am Eingang des Flurs gesehen, und Lols Herz machte, was es jedes Mal tat, wenn er Merrily wiedersah, nachdem …
Er sagte: «Ich gehe, oder? Dann können Sie allein mit ihr sprechen.»
Mrs. Pawson sah ihn peinlich berührt an. «Nein, bleiben Sie. Das wird langsam wirklich ein bisschen surreal.»
Merrily streckte lächelnd die Hand aus. «Ich bin Merrily.»
Ein Mann und eine Frau waren aus dem Raum auf der rechten Flurseite gekommen, und Mrs. Pawson warf einen Blick durch die Tür. «Hier ist jetzt niemand mehr. Gehen wir hier hinein.»
Sie folgten ihr, und Lol zog die Tür zu. Es war ein Aufenthaltsraum, langgezogen, schmal und mit Polstermöbeln ausgestattet, deren Rahmen goldfarben lackiert und die mit gestreiftem Stoff im Regency-Stil bezogen waren. Vor den Fenstern erstreckte sich eine weitläufige Aussicht.
«Ich frage mich, wem das noch nutzen soll», sagte Lisa Pawson.
Merrily ging zum Fenster. «Ein wundervoller Blick.» Dann wandte sie sich wieder zu Mrs. Pawson um. «Ich habe das Gefühl, wir hatten beide leicht beunruhigende Begegnungen mit RoddyLodge. Jetzt soll ich seine Beerdigung abhalten, und ich vermute, da gibt es ziemlich viel, das zur Ruhe kommen müsste.»
Mrs. Pawson hielt ihren Blusenkragen vorne zu, als sei es im Raum plötzlich kühl geworden. «Ich habe fünfzehn Jahre lang in einer Gesamtschule unterrichtet und ein paar reichlich geschmacklose Dinge erlebt. Aber das … ich verstehe immer noch nicht, was Ihnen das, was ich erzählen kann, nützen
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