Der Himmel ueber Dem Boesen
auf ihrem Handy geweckt, wie besprochen, und das Tablett dann zweihundert Meter über einen matschigen Weg getragen, bevor der Tee kalt werden konnte, dann vierzehn Stufen hoch auf den Speicher. Prof hatte gesagt, er solle sich auf die altmodische Art um Moira Cairns kümmern. Was offenbar etwas mit seinen Erinnerungen daran zu tun hatte, wie Moira
ihm
morgens Tee und Toast gebracht hatte, als sie vor Urzeiten zusammen Platten aufgenommen hatten.
«Ach», sagte Moira, als Lol sie daran erinnerte, «das hab ich doch nur gemacht, um sicherzugehen, dass der alte Blödmannnichts Stärkeres trinkt.» Sie goss Tee ein, es dampfte. «Wie geht’s ihm denn jetzt so?»
«Er trägt diese Cappuccino-Maschine mit sich rum wie einen Teddybären. Ich glaub, was Hochprozentiges hat es in dem Haus noch nie gegeben.»
Moira nickte zustimmend und süßte ihren Tee. Lol vermutete, dass sie auf einem ganzen Haufen Horrorgeschichten saß, in denen es um die Zeit ging, in der Prof getrunken hatte.
«Und jetzt bist du ja auch noch da, um ein Auge auf ihn zu haben. Ist doch ’ne gute Regelung im Großen und Ganzen, oder?»
Lol zögerte. Er war jetzt seit mehreren Monaten hier, seit er den Plan, Psychotherapeut zu werden, aufgegeben hatte; seit Prof Levin ihn überzeugt hatte, an dem lang erwarteten Soloalbum zu arbeiten, das, Lols Meinung nach, nicht von ganz so vielen Leuten lang ersehnt wurde, wie Prof glaubte. Aber jetzt war das Album so gut wie fertig, und Lol arbeitete eigentlich nicht genug im Studio, um sein Luxusquartier zu rechtfertigen. Es
war
eine gute Regelung, klar. Alles in allem sogar zu gut.
«Außer natürlich, wenn jemand wie ich kommt und dein winziges Apartment belegt», sagte Moira. «Wo schläfst du denn so lange?»
«Oh … auf dem Heuboden. Da hab ich sowieso fast den ganzen Sommer über geschlafen. Das ist o. k.»
«Der Sommer ist aber vorbei. Da gibt’s doch bestimmt keine Heizung, wenn das Studio zuhat, oder?»
«Es ist echt o. k., wirklich.»
Moira lächelte, man sah ihre Krähenfüße, aber das machte nichts; diese Frau würde auch mit siebzig noch sexy sein. «Das Apartment ist zwar winzig, aber das ganze Gebäude ist irgendwie … total magisch. Die vielen Stufen – wie ein Wohnturm. Man kann nachts am Fenster stehen … in der Ferne die Lichter von Malvern. Ist das die Stadt, Great Malvern?»
«West Malvern, glaube ich.»
«Besser, man weiß es nicht so genau», sagte Moira. «Nachts gehören alle fernen Lichter zum Märchenland. Unerreichbar, aber sichtbar, um uns zu inspirieren.» Sie sah ihn über den Rand ihrer Tasse hinweg an. «Ist dir unwohl dabei, hier zu wohnen?»
«Ein bisschen.» Es war zunehmend beängstigend, was sie alles spürte.
«Warum?»
«Zu perfekt vermutlich. Das Paradies-Syndrom.»
Der Getreidespeicher stand am Rand eines Feldes, das zum Haus der Boswells hin abfiel, und ein Stück entfernt von den ehemaligen Stallungen, die das Aufnahmestudio beherbergten. Prof Levin war es gelungen, es zusammen mit den angrenzenden Außengebäuden und einem Hektar Land zu kaufen, als Teile eines Familienanwesens veräußert worden waren.
«Andererseits», sagte Moira, «wäre das für ’ne Menge andere Leute wahrscheinlich einfach nur ein besserer Schuppen mitten auf einem matschigen Feld, man kommt schlecht hin und kann nichts Vernünftiges damit anfangen. Ist ein sehr persönliches Konzept, das Paradies.»
«Ja … klar …» Als Prof ihm vorgeschlagen hatte, hier einzuziehen, hatte Lol vermutet, dass Prof dabei auch an Merrily dachte, mit der Lol nicht gesehen werden durfte.
«Ich würde fast sagen, du bist für Prof so was wie ein Sohn geworden», sagte Moira, «obwohl – das wäre vielleicht ein bisschen übertrieben. Er hat das Gefühl, dir helfen zu müssen, weil er weiß, dass du dir niemals selbst helfen wirst. Darin besteht vielleicht der ganze Sinn dieses Ortes: dass Prof das glorreiche Ende seiner Karriere – pardon – Underdogs wie dir widmet, denen er mit dem Geld unter die Arme greift, das er mit so großen Nummern wie
mir
verdient …» Sie warf die Arme in die Luft. «Uuups! Klang das jetzt nach Wohltätigkeitsveranstaltung?»
«Ich mache mir keine Illusionen, Moira», sagte Lol, «das Ganze
ist
eine Wohltätigkeitsveranstaltung.»
«Es sei denn», sie hob einen Zeigefinger, «er kriegt durch dein Album alles wieder rein.»
«Jjj-a.»
«Obwohl wir alle wissen, dass ein Album – wenn du nicht ohnehin schon berühmt bist – nichts
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