Der Himmel ueber Dem Boesen
bringt, solange du keine Tournee machst.»
«Hm …» Dass
das
noch kommen würde, hätte ihm klar sein müssen.
«Während eine gute Tournee praktisch eine Garantie dafür ist, dass ein Album ein Erfolg wird.»
Lol seufzte.
«Aber wie wir beide natürlich wissen, hat Prof überhaupt kein Interesse daran, dass sich irgendwas auszahlt. Nur, so wie ich das sehe, wird die Situation so lange an dir nagen, bis du wirklich was dagegen unternehmen musst … woran liegt es denn? Hast du eine Allergie? Eine Phobie?»
Lol ging zum Fenster und blickte über das Frome-Tal. Er sah Stanley, den geliebten Esel der Boswells, auf der Weide grasen. Für Stanley war das alles ganz selbstverständlich, er nahm nur ein bisschen von dem, was seiner Spezies gebührte, nachdem sie jahrhundertelang geschuftet hatte.
«Ich meine, wenn man lange aus dem Geschäft war, ist es
verdammt
hart – vor allem allein.»
«Mein letzter Auftritt ist fast zwanzig Jahre her. Da war ich noch ein Kind.»
«Viel Zeit, um die Angst zu füttern. So funktioniert das nämlich mit der Angst. Ich habe zum Beispiel diese zehn Auftrittstermine im Winter, und die sind noch nicht mal fix, aber der Gedanke daran ist mir jetzt schon eine Qual.»
Lol wandte sich wieder dem weißen Raum zu, in dem MoiraCairns ihren Tee schlürfte. Seinem Gefühl nach passte das Wort «Qual» bei Moira überhaupt nicht zu einem Liveauftritt vor Publikum.
«Also, Laurence, hör zu, es ist ganz einfach:
Falls
diese Tournee stattfindet – wie würdest du es finden, dabei zu sein?»
Lol wurde zuerst heiß, dann kalt.
«Ja, ich weiß. Keine Panik, Süßer.» Moira stellte ihre Tasse ab und stand auf, diese schöne, unheimliche, reife Frau im verwaschenen Bugs-Bunny-Shirt. «Bleib, wo du bist. Ich muss mal pinkeln. Du bleibst, wo du bist, und überlegst dir eine Ausrede. Aber vergiss auch nicht … wie es letzte Nacht war.»
An diesem Morgen war er tatsächlich zum ersten Mal mit ihr allein gewesen. Am Vorabend im Studio war Prof die ganze Zeit dabei und auch Simon St. John, der Pfarrer von Knight’s Frome, der Bass und Cello spielte. Simon hatte früher mit Moira Cairns in derselben Band gespielt und kannte sie schon ewig, und Prof Levin hatte damals bei ihrem Album die Technik gemacht und es produziert. Es war also eine Art Wiedervereinigung, bei der Lol, der Außenseiter, nur dabei war, weil er eben zufällig gerade bei Prof wohnte. Moiras neues Album würde das erste Produkt des Knight’s-Frome- Studios sein, das zur absoluten Oberliga gehörte, und Prof wollte, dass die Musik mit Muße entstand, er wollte Songs, die sich ganz ohne Druck entwickelten.
Lol konnte sich nicht erinnern, wer von den dreien vorgeschlagen hatte, dass sie einmal einen
seiner
Songs durchspielen sollten – als hätte Moira nicht genug eigene. Jedenfalls hatten sie dann an seiner neotraditionellen Ballade über die Veränderungen eines englischen Dorfes gearbeitet, «The Baker’s Lament». Zuerst hatte Moira gesungen und Lol Gitarre gespielt. Und dann – und auch hier wusste er nicht genau, wie es dazu gekommen war – hatte Lol das Singen übernommen. Simon St. John hatte ihn dabei auf demCello begleitet, dessen Klang fließend und abgründig war wie der Fluss Frome, und Moira hatte diese unfassbaren Harmonien zustande gebracht.
Prof hatte beide Versionen aufgenommen, und es war, wie Moira gesagt hatte, irgendwie … interessant gewesen. Nicht gerade technisch brillant, aber irgendetwas war passiert, es klang auf einmal irgendwie organisch. Ein bisschen wunderbar. So viele Jahre nachdem
Hazey Jane
eingegangen war, hatte Lol sich wieder als Teil einer Band gefühlt.
Sie spielten natürlich nur zum Spaß – es war ein Traum, ein Phantasiegespinst. Klar, dass sie gut klangen, wenn Moira Cairns mitmachte. Moira, die fast das ganze Jahr zurückgezogen auf der Isle of Skye lebte, nur selten auftrat und damit allen möglichen Legenden Nahrung gab. Moira, die als halbe Zigeunerin in Glasgow geboren worden war. Die angeblich besessen war von «The Sight», einer Göttin des Folkrocks. Die silberne Strähne in ihrem langen schwarzen Haar – wie oft hatte er sie schon auf Bildern gesehen? Bisher zwar noch nie über einem Bugs-Bunny- T-Shirt , aber …
Warum sollte sie so etwas für jemanden tun, den sie erst seit ein paar Stunden kannte? Wollte sie Prof einen Gefallen tun? Und dafür ihre hart erarbeitete Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen? Am Vorabend war ihm alles magisch
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