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Der Himmel ueber Dem Boesen

Der Himmel ueber Dem Boesen

Titel: Der Himmel ueber Dem Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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erschienen; jetzt wirkte es vor allem irreal.
    «Ich sag dir, was ich glaube», rief sie aus dem Badezimmer. «Wir sollten vielleicht erst mal einen einzigen Gig machen. Nur um festzustellen, wie es läuft, okay?»
    Lol setzte sich auf die Bettkante.
    Moira sagte: «Entschuldige, was hast du gesagt? Ich konnte nichts verstehen, weil der Wasserhahn so laut gerauscht hat. Wir machen es so: Ich trete nächste Woche Mittwoch in Hereford auf, ich glaube, der Laden heißt
The Courtyard
. Damit könnten wir doch mal anfangen. Als Testdurchlauf?»
    Lols Hacken stieß an etwas, das unter dem Bett lag.
    «Wir machen keine große Sache daraus, schreiben es nicht mal auf die Plakate – dafür ist es sowieso zu spät. Du kommst einfach dazu und machst ein bisschen mit, ganz locker. Und dann spielen wir ein paar von deinen eigenen Nummern, mal sehen, wie sich das anfühlt.»
    Lol wusste, wie sich das anfühlen würde. Er spürte jetzt schon, wie seine Finger auf dem Griffbrett der Gitarre schwitzten. Sobald mehr als drei Leute im Raum waren, würde er die Melodie nicht mehr treffen und den Text vergessen. Und in jedem Publikum würden immer zwei, drei Leute sein, die sich erinnerten   …
    Er beugte sich vor und sah unter dem Bett seinen Wasserkocher samt dem zusammengerollten Kabel liegen. Diese ganze Sache mit der morgendlichen Teezeremonie hatte für ihn schon die ganze Zeit über keinen Sinn ergeben – wenn Prof es für so wichtig hielt, warum hatte
er
dann nicht das Tablett herübergetragen?
    Es war ein abgekartetes Spiel.
    Moira Cairns kam aus dem Badezimmer. Sie wirkte sehr frisch und entspannt in ihrem hellgrünen Kimono.
    «Also», sagte sie, «womit willst du anfangen?»
     
    Lol wollte natürlich überhaupt nicht anfangen. Er hatte einen halben Collegekurs in Psychotherapie abgesessen und eine Weile mit einem Therapeuten in Hereford zusammengearbeitet. Er konnte das alles sehr gut selbst analysieren, vielen Dank, sogar bis hin zu seiner Fixierung auf Nick Drake: Nick Drake hatte drei Alben aufgenommen, aber immer Angst gehabt, öffentlich aufzutreten. Folglich hatten sich die Alben relativ schlecht verkauft, und dann war Nick Drake vollkommen unterschätzt an einer Überdosis Antidepressiva gestorben.
    «Aber Lol, der arme Kerl war
psychisch krank
», sagte Moira, «und das warst du nie. Du warst nur ein Opfer unseres sogenanntenGesundheitswesens und hattest überhaupt keine Unterstützung, als dieser   … Arsch von einem Bassisten freundlicherweise ausgesagt hat, dass du Sex mit einer Fünfzehnjährigen hattest – um
sich selbst
nicht in die Scheiße zu reiten. Und das, als du   … wie alt warst? Achtzehn oder neunzehn?»
    «So was, ja.» Offensichtlich hatte Prof sie lückenlos ins Bild gesetzt.
    «Unschuldig, allein – mit verrückten, fanatisch religiösen Eltern, die dich verstoßen haben   …»
    «Je öfter Prof die Geschichte erzählt, desto verrückter werden meine Eltern.»
    «…   und schon warst du drin in der Mühle der Schulmedizin: unnötige stationäre sogenannte Behandlung in der Psychiatrie – die zum Beispiel darin bestand, dass dieser Scheißstaat dich bis zur Bewusstlosigkeit mit Medikamenten abgefüllt hat.» Moira warf ihr Haar zurück – es sah aus wie ein Blitz am Nachthimmel.
« Das
könnte heute jedenfalls nicht mehr passieren, wo noch nicht mal für die wirklich Verrückten genug Betten da sind. Laurence, warum bist du eigentlich nicht
wütend

    Lol zuckte mit den Schultern.
    «Eines Tages», warnte ihn Moira, «werden deine Schultern so festfrieren. Du glaubst also, wenn du jetzt wieder auf der Bühne erscheinst – nach fast zwei Jahrzehnten   –, wird das gesamte Publikum nicht denken: ‹Ah, dieser wahnsinnig talentierte Typ von
Hazey Jane
, wo
war
der denn die ganze Zeit?›, sondern: ‹Hey, ist das nicht dieser eklige Triebtäter von 1982 oder so?› Das glaubst du also wirklich?»
    «Nein»
, sagte Lol zu schnell. Er wandte sich ihr zu: «Moira, ich bin dir wirklich dankbar, und wenn ich das machen könnte, wär ich wahnsinnig stolz, das weißt du ja. Aber ich wäre für dich nur ein Klotz am Bein. So was brauchst du nicht.»
    «Jetzt hör mal zu, ich bin hinter meiner selbstsicheren Fassadeein ziemlich verletzlicher Mensch.» Sie setzte sich neben ihn auf die Bettkante. «Ich brauche Unterstützung von jemandem, der zu mir passt. Ich brauch nichts wahnsinnig Tolles, ich brauche was Sensibles, was leicht Schräges.»
    «Du brauchst jemanden, der die Akkorde

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