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Der Himmel ueber Dem Boesen

Der Himmel ueber Dem Boesen

Titel: Der Himmel ueber Dem Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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war zwar entscheidend, aber genauso entscheidend war ein kleiner, fester Kern sicherer Glaubensüberzeugungen. Eine Rückzugsmöglichkeit würde ihr bestimmt helfen, ihr inneres Gleichgewicht wiederherzustellen, aber dafür war nie Zeit – es war ja nicht mal Zeit für Urlaub gewesen. Ihr Amt erstickte sie; es umhüllte ihr ganzes Sein wie Nebel.
    Konzentrier dich aufs Atmen
. Merrily hatte einige Zeit gebraucht, um zu begreifen, dass es nicht darum ging, bewusst zu atmen, sondern darum, sich des Atmens bewusst zu werden.
    Langsam schwanden die Mauern der Kirche aus ihrer Wahrnehmung, die Fenster, die Kanzel, auf der sie versuchte zu predigen, obwohl sie das Wort «predigen» mit all dem, was darin mitschwang, hasste. Nach einiger Zeit war alles Gegenständliche der Kirche – die Bestuhlung, das Lesepult – versunken, und der Raum, die Atmosphäre, die aufgeladene Luft traten hervor –
das
war die eigentliche Kirche.
    Ohne es zu merken, war Merrily etwas zusammengesackt und richtete sich wieder auf; ihre Brust fühlte sich warm an, sie atmete tiefer. Für einen Moment rief die Wärme ein nahezu sexuelles Behagen hervor; sie sah Lol vor sich, ließ das Bild aber gleich wieder verblassen   … ließ es einfach gehen, ohne Schuldgefühle.
Lass den
Atem Geist werden, und der Geist füllt dich aus, dringt bis in deinen Magen vor, der Solarplexus entspannt – der Atem Gottes   … Gott atmet mich –
und irgendwann geht es ins Gebet über.
    Schnapp
.
    Merrily riss die Augen auf. Das Gebäude schien zu erzittern, als wären die Bänke, die Kanzel, die Steingräber plötzlich wieder an ihren Platz befördert worden.
    Sie wusste sofort, was es war, kannte jedes kleine Geräusch, das diese Kirche machte.
    Die Klinke. Wenn man sich auskannte, konnte man die Eisenklinke des Seiteneingangs geräuschlos bewegen. Wenn nicht, war es deutlich zu hören:
Schnapp
.
    Jemand war mit ihr in der Kirche gewesen und dann hinausgegangen.
    Oder er wollte, dass sie dachte, er wäre wieder draußen.
    Es gab keinen Luftzug mehr, die Flamme flackerte nicht und tauchte den Altar in ein Nest aus Licht. Merrily erhob sich ruhig, stellte sich vor den Lettner, lauschte länger als eine Minute aufmerksam und sah dabei den Mittelgang hinunter.
    Rattenaugen im Dunkeln? Egal, sie weigerte sich, sich einschüchtern zu lassen. Wenn er gegangen war oder sie gegangen waren, waren sie gegangen. Wenn nicht, war sie hier am sichersten, in der Nähe des Altars. Sie war auch noch gar nicht fertig gewesen. Sie kniete in der Mitte des Altarraums nieder und betete für Gomer. Und für Roddy Lodge. Und für Frannie Bliss, der Polizeiarbeit mit Poker verwechselte, mit verdeckten Karten spielte und ständig den Einsatz erhöhte.
    Sie wartete zwei oder drei Minuten, bevor sie wieder aufstand, ihren Schal von der Stuhllehne nahm und zum Altar ging, um die Kerze auszublasen.
    Wieder lauschte sie. Es war nichts zu hören, nicht einmal das Umherhuschen von Mäusen. Nur der Wind draußen. Es war vollkommendunkel. Sie hatte immer geglaubt, sie würde sich in dieser Kirche blind zurechtfinden, aber sie stieß zweimal gegen das Ende einer Bank. Die Nerven.
    Am Ende des Mittelgangs allerdings stieß Merrily gegen etwas, das dort normalerweise nicht hingehörte und hart auf die Steinfliesen fiel.
     
    Eigentlich war der Plan gewesen, noch einmal ins Studio zu gehen und bis Mitternacht weiterzuarbeiten. Aber nachdem Jane und Eirion gegangen waren, hatte Moira gesagt, sie sei müde, also hatte Prof vorgeschlagen, dass sie für heute Schluss machten.
    Kurz danach hatte Gomer angerufen und mit dem vertrauten Elan in der Stimme gesagt:
    «Wie sieht’s mit morgen um zehn aus?»
    «Morgen?»
Lol war mit dem Handy an der Tür stehen geblieben, in der anderen Hand die Taschenlampe, mit der er Moira gerade zum Speicher zurückbegleiten wollte. Er hatte gedacht, dass er eine Woche oder so Zeit hätte – zumindest bis nach Nevs Beerdigung   –, um sich für seinen ersten Einsatz als Teilzeitkraft zu rüsten.
    «Wegen der Polizei. Kann am Telefon nich so viel dazu sagen, aber ich tu alles, um den Bastard dranzukriegen, und das wissen die.»
    «Wir arbeiten für die
Polizei

    «Kann jetzt nich so viel dazu sagen. Also, morgen um zehn?»
    «Ja gut, morgen Vormittag um zehn», sagte Lol.
    «Dann solltest du wohl auch früh ins Bett gehen», sagte Moira, als er das Handy zuklappte. «Gib mir die Taschenlampe, Laurence, ich find den Weg auch allein.»
    «Aber wenn dich jemand angreift,

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