Der Himmel ueber Dem Boesen
war komplett verrückt.
Merrily setzte sich an den Tisch, nahm ein Bündel in die Hand, entfernte das Gummiband und zählte die Scheine langsam und sorgfältig: 2000 Pfund in Fünfzigern. Es mussten vierzig oder fünfzig dieser Bündel sein. Unter eines der Gummibänder war ein bedrucktes, gefaltetes DIN-A 4-Papier geschoben worden:
Für die Instandhaltung der Kirche von Ledwardine, damit sie nicht auf kommerziellen Verdienst angewiesen ist. Eine Schenkung.
Merrily hörte ein Auto vorfahren, eine Tür zuschlagen und dann Eirions wohlbekanntes Abschiedshupen. Sie schob die Bündel in den Müllsack. Schnelle Schritte auf dem Weg, dann Janes Schlüssel im Schloss. Als sie den Beutel in die Spülküche zog, klingelte das Telefon.
«Wie war’s?», fragte Huw Owen.
«Hm? Sorry, Huw, ich …»
«Das Pfarrgemeinderatstreffen, junge Frau. Der Mobilfunkmast?»
«Oh.» Gott, war das in
diesem
Jahr gewesen? «Tut mir leid, seitdem ist so viel passiert. Nein, Ted hat es nicht durchgesetzt. Allerdings …» Merrily zog den Stuhl heran, ließ sich darauf sinken und legte die schmerzenden Beine hoch. Plötzlich war ihr nach Reden zumute.
Nicht über die Geldbündel; sie war noch nicht so weit, darüber zu sprechen, nicht, bis sie ein paar Dinge herausgefunden hätte. Stattdessen erzählte sie ihm von Roddy Lodge, von dem Brand auf Gomers Betriebshof und Nevs Tod, von der Leiche in der Baggerschaufel, von dem Besuch in Lodges Haus und dem Gespräch im Verhörraum, das dann doch nicht stattgefunden hatte. Das alles nahm ungefähr fünfundzwanzig Minuten in Anspruch. Nach einemhalben Tag mit dem manischen Frannie und dem Schock mit dem Müllsack war es fast entspannend, dem stoischen Huw von der Lodge-Sache zu erzählen.
«Underhowle, ja?», sagte er.
«Da bin ich vorher noch nie gewesen.»
«Dobbs schon», sagte Huw.
«Wie bitte?»
«Tommy Dobbs, Ihr geschätzter Vorgänger. Der war vor ein paar Jahren mal in Underhowle.»
«Aber nicht auf Einladung des Landdekans, wenn ich richtig informiert bin.»
«Wer ist der Landdekan?»
«Banks.»
«Das war vor seiner Zeit. So vor fünf, sechs Jahren? Es war unvergesslich. Ich erinnere mich daran, weil Dobbs etwas gemacht hat, was für ihn vorher nie in Frage kam.»
«Was denn?»
«Er hat mich angerufen und um Rat gebeten. Normalerweise holte er sich nur bei Gott Rat.»
«Sehr schmeichelhaft.» Merrily dachte jedoch, dass Dobbs’ Einsatz nichts mit Lodges Bungalow zu tun haben konnte, den es damals ja noch gar nicht gegeben hatte. «Und, konnten Sie ihm helfen?»
«Ich … äh, nein. Er hatte recht – es war nichts, womit wir es normalerweise zu tun hatten. Ein angeblicher Fall von ‹Entfüh rung durch Außerirdische›.»
«Ja, das dürfte ihn beunruhigt haben.»
«‹Mr. Owen›, hat er gesagt – Dobbs war ja immer so förmlich –, ‹humanoide Wesen in silbernen Anzügen: Was sagt Ihnen das, Mr. Owen?› Dobbs hatte natürlich keinen Fernseher und noch nie von
Star Trek
gehört.»
«Und das war in Underhowle? Jemand in Underhowle hat behauptet,eine Begegnung mit einem Außerirdischen gehabt zu haben?»
«Mehrere, soweit ich weiß. Nicht mehrere Leute, mehrere Begegnungen. Es war eine junge Frau, keine zwanzig Jahre alt. Dobbs hat einen Bericht darüber geschrieben, für die Akten, um auf der sicheren Seite zu sein. Hat mir eine Kopie geschickt. Ich würde sie bestimmt wiederfinden, aber Sophie hat sie sicher auch in der Kathedrale, wenn Sie interessiert sind. Dobbs war so beunruhigt, weil er nicht glaubte, dass das Mädchen gelogen hat oder psychisch krank war, aber er konnte trotzdem nichts damit anfangen. Ich habe tatsächlich von angeblichen Erfahrungen mit Außerirdischen gehört, bei denen Segnungen oder kleinere Exorzismen geholfen
haben
. Da fragt man sich schon, ob diese sogenannten Begegnungen nicht eine spirituelle Dimension haben. In diesem Fall war es allerdings nicht so.»
Merrily gähnte. «Vielleicht sehe ich mir die Akten mal an. Man weiß ja nie. Sie erinnern sich nicht zufällig an den Namen des Mädchens – wegen des Aktenzeichens?»
«Äh … so ungefähr. So ähnlich wie Ihrer. Melissa? Nein, Melanie. Pullford. Melanie Pullford.»
«Nicht vielleicht Pull
man
?», fragte Merrily angespannt.
«Möglich.»
«Denn falls sie noch einmal von Außerirdischen entführt wurde, dann haben sie vergessen, sie zurückzubringen. Sie wird nämlich seit zwei Jahren vermisst. Bliss glaubt, dass Lodge sie umgebracht haben
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