Der Himmel ueber Dem Boesen
durch Gomer ja auf jeden Fall weiter damit in Verbindung stand, weil er nicht lockerlassen würde, bis Lodge wegen Nevs Todverurteilt war. Und dann war da auch noch Frannie Bliss, der Gomer für seine eigenen Interessen ausnutzen wollte.
«Komplett verrückt», hatte Pfarrer Jerome Banks sofort gesagt. «Ein totaler Spinner. Wollte mir von Geistern erzählen, die er überall in seinem Haus sieht. Natürlich haben Sie und ich schon viele Leute erlebt, die so etwas erzählen … Die denken, sie finden bei uns Tee und Kekse und einen mitfühlenden Zuhörer, der zufällig auch noch vollkommen unkritisch ist. Normalerweise sind sie ja nicht gefährlich … Das konnte ich allerdings schlecht dem Detective erzählen, oder? Was hätte ich denn sagen sollen? Eine Psychose schien mir Roddy Lodge nicht zu haben. Ich hatte überhaupt keinen Grund zu der Annahme, dass er tun würde, was er getan hat – wie sollte ich auch?»
«Also haben Sie sich einfach als mitfühlender Zuhörer angeboten.»
«Nein, ich habe gesagt, das
erwarten
diese Leute. Ich bin nicht der Richtige für die Rolle des stets heiteren, dusseligen Pfarrers. Wenn Sie mich fragen, hat es die Kirche genau diesen Pfarrern zu verdanken, dass sie heute in einem so geschwächten Zustand ist. Die Öffentlichkeit muss ja denken, wir wären alle so verquaste Typen. Und dieser Kerl ist mir wirklich auf die Nerven gegangen. Wichtigtuerisch und von sich selbst eingenommen wie kein Zweiter. Ich habe sogar überlegt, ob er mich auf den Arm nimmt.»
«Sie sagten, er wäre gekommen, um Ihnen von Geistern zu erzählen, die er angeblich gesehen hatte.»
«Sehen Sie …» Jerome Banks seufzte erschöpft. «Er hat mich gefragt, wie es sein kann, dass es in seinem Haus
spukt
. Obwohl es kein altes Gebäude ist und er es selbst gebaut hat. Ich habe zurückgefragt, ob er die Rohre ordentlich verlegt hat und ob die elektrischen Leitungen mal von einem Experten überprüft wurden.»
«Er hat also seltsame Geräusche gehört? Und das Licht ist an- und ausgegangen oder so?»
«Ich weiß es nicht. Mrs. Watkins, ich habe mit diesem Unsinn bisher nichts zu tun gehabt, und es ist mir überhaupt nicht peinlich, das zuzugeben. Keine Ahnung, wie es Ihnen gelingt, dazu ernste Miene zu machen. Außerdem war das ja vor Ihrer Zeit, ich hätte Lodge also höchstens an Ihren Vorgänger, den alten Dobbs, verweisen können – der in meinen Augen
vollkommen
verrückt war … und übrigens durchaus nicht nur in meinen Augen. Deshalb war ich beinahe erleichtert, als Lodge total ausgerastet ist, weil er mit
so etwas
nichts zu tun haben wollte.»
«Womit denn?»
«Na mit … Gebeten für die ruhelosen Toten.»
«Warum ist er denn überhaupt zu Ihnen gekommen? Seine Familie und er waren doch Baptisten.»
«Keine Ahnung. Ich habe ihn vorher noch nie gesehen.»
«Hat er denn genauer gesagt, welche Art von … Erscheinung … er gehabt hat?»
«Ach, das habe ich alles nicht so genau verstanden. Und mitgeschrieben habe ich auch nicht. Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass wir unsere komplette Zeit darauf verwenden könnten, uns solchen hirnverbrannten Blödsinn anzuhören, aber wenn man sich um ein halbes Dutzend Gemeinden zu kümmern hat, muss man mit seiner Zeit haushalten.»
«Wann genau hat er sie denn aufgesucht?»
«Steht wahrscheinlich in meinem Kalender, ich würde sagen … so vor zwei Jahren? Vielleicht auch drei.»
Sie hatte nicht weitergefragt, war aber sicher, dass es eine ganze Menge gab, worüber er nichts gesagt hatte.
Aber das war schließlich nicht ihre Sache. Merrily ließ ihren Kopf im Nacken kreisen, wobei ein leichtes Knacken zu hören war, als würden Holzscheite Feuer fangen. Dann ließ sie ihren Wollschal über die Stuhllehne gleiten und entspannte ihren Körper; beginnendmit den Zehen, spannte sie die Muskeln an und ließ wieder locker. Die Wärme würde schon kommen.
Sie hatte sich eine Weile gegen die östlich beeinflusste Meditation – das Aktivieren der
Chakras
– gesträubt, weil es ihr irgendwie unchristlich vorkam und auch so typisch Jane war. Doch das Amt als Beraterin für spirituelle Grenzfragen hatte ihr Bedürfnis geweckt, Erfahrungen auf einer tieferen Ebene zu machen, das Bedürfnis, Momente des
Wissens
zu erleben. Es kam immer noch zu oft vor, dass sie über ihre eigene Schwäche, ihre eigene Unkenntnis entsetzt war, über die Angreifbarkeit ihres Glaubens – der manchmal so schwach schien wie ein Strohhalm. Demut
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