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Der Himmel ueber Dem Boesen

Der Himmel ueber Dem Boesen

Titel: Der Himmel ueber Dem Boesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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gehalten. Aber es war eine armselige Spiritualität, wenn ich das damals nur schon gewusst hätte – Tarotkarten und magische Kristalle und die ganzen glitzernden Requisiten des Teufels. Das Heidentum schleicht sich von hinten an wie ein Vertreter, der mit einem Koffer voll glitzerndem Kitsch von Tür zu Tür zieht.»
    Merrily, deren Einstellung zum Heidentum seit kurzem nicht mehr so schwarzweiß war wie früher, sagte nichts.
    «Aber am Anfang habe ich mich wegen dieses weiblichen Aspekts dazu hingezogen gefühlt, wegen der Erhöhung der Frauen. Niemand kann leugnen, dass es die Männer waren, die die Welt in den Zustand gebracht haben, in dem sie ist, Merrily. Niemand darf es
wagen
, das mir gegenüber zu leugnen – mir das zu sagen – mir, die ich aus der katholischen Kirche vertrieben wurde, als ich kaum zwanzig Jahre alt war, beschmutzt von der kranken Heuchelei der Männer.»
    Oh. «Geht es hier um Männer im Allgemeinen?», sagte Merrily. «Oder   …?»
    «Oder genauer, um unseren Gemeindepfarrer, Vater Colm Meachin.»
    Die Worte kamen schnell, gehaucht und monoton. «Der heilige Vater Colm, mit seinem würdevollen Benehmen und seiner hochgestochenen Rhetorik und seinen Politikerfreunden und seinen schmalen weißen Händen, die er überall auf einem stillen Mädchen hatte, Niamh Fagan, meiner Freundin. Aber das   … Ah, wissen Sie, es ist zu perfekt, das ist das eigentliche Problem.»
    «Wie bitte?»
    «Zu ordentlich, zu steif scheint es mir jetzt, und es fängt die Herrlichkeit des Ganzen nicht ein. Das Bild, Merrily – fängt die
explosive
Herrlichkeit des Moments nicht ein, und ich habe auch nicht erwartet, dass es das tun würde, aber ich dachte, dem Moment sollte hier trotzdem gedacht werden.»
    Merrily befeuchtete ihre trockenen Lippen.
    «Des Moments?»
     
    Das Beunruhigende war, dass Merrily überzeugt war, sich an den Tag genau erinnern zu können; es war im letzten April oder Mai gewesen   … ein heftiger Gewittersturm hatte sich angekündigt und dann fast äquatoriale Ausmaße angenommen. Ein Sonntag. Touristen, die in die Vorhalle der Kirche flüchteten. Jane war gelangweilt, weil Eirion krank war und sie das ganze Wochenende lang im Haus gehockt hatte.
    «Es war ein Blitz, Merrily! So wild und hell, dass ich die Augen schließen musste. Und als ich sie wieder öffnete, war der Himmel so dunkel wie das Moor, und dann   –», die sanfte Stimme in der stillen Atmosphäre der unterirdischen Kapelle steigerte die Spannung, «war da dieses kleine Licht, genau im Zentrum, da, wo der Sturm am dunkelsten war.»
    Der Kirchturm auf dem Gemälde war zweifellos der von Ledwardine.
    «Und das kleine Licht wurde vor meinen Augen größer, bis es die Form eines Balls hatte oder eines Eis, wie ein UFO oder so. Aber ich wusste sofort, dass es mehr sein würde als das, herrlicher.»
    Merrily betrachtete die weiße Figur, den Schwertträger: weder Michael noch Gabriel, sondern anscheinend Uriel, ein weniger zentraler Erzengel aus den Apokryphen.
    «Als ich da auf dem kleinen Hügel stand» – Jenny Box erhob sich   –, «vollkommen starr, tat es plötzlich einen Schlag» – sie schwang die Arme   –, «es war ein gegabelter Blitz, und der Blitz selbst wurde zum Schwert. Das Schwert
war
der Blitz. Verstehen Sie? Und ich habe einfach die Augen geschlossen, Merrily, und es begann zu regnen, so sehr, dass ich innerhalb einer Minute nass bis auf die Haut war. Vollkommen durchnässt, und ich hab gelacht wie eine Verrückte.»
    Jenny Box strahlte im Licht der Altarkerzen vor Freude. Sie hatte ihr die Show gestohlen, hatte von Anfang an das Heft in der Hand gehabt. Es hatte keine Möglichkeit gegeben,
die
Frage zu stellen:
«Also, waren Sie es, die letzte Nacht den Sack voll Geld in die Kirche gebracht hat?»
– Nicht jetzt, nicht hier in Jennys privater Kapelle, an ihrem heiligen Ort.
    «Ich bin dann runter ins Dorf gefahren, und als ich dort ankam, nach nicht einmal zehn Minuten, hatte es fast aufgehört zu regnen, und eine ganz schwache Sonne war herausgekommen. Ich bin wie im Traum durch das Dorf gelaufen, innerlich brennend – ich habe geglüht vor reiner Freude. Ich bin auf den Marktplatz gegangen, habe mir die alten Gebäude angesehen, einfach in der Atmosphäre geschwelgt   … nicht, weil es so malerisch ist – das ist ja nur die Oberfläche   –, aber es ist, als würde ein Strom aus Heiligkeit durch die Straßen ziehen, der immer noch zu spüren ist, obwohl der Kommerz allgegenwärtig

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