Der Himmel ueber Dem Boesen
Dorf hatte. In letzter Zeit allerdings – zweifellos unter Alisons Einfluss – schien er sich zu verändern. Er kam allein zur Kirche, mied die altehrwürdige Gutsherrenbank der Bulls und nahm meistens einen neutralen Standpunkt ein, wenn es um Gemeindeangelegenheiten ging.
«Ich will mich nicht einmischen, Mrs. Watkins.» Er räusperte sich. «Das wissen Sie ja.»
«Wie geht es Alison?»
«Gut. – Haben Sie den Ehemann kennengelernt?»
«Den Ehemann?»
James verschränkte die Arme und sah auf seine Schuhe hinab.«Ich habe den Kerl Freitagabend im
Swan
gesehen. Ist fürs Wochenende hier. Arbeitet in London.»
«Ich habe ihn noch nicht kennengelernt.»
«Er macht sich Sorgen.» James sah über Merrilys Kopf hinweg zum Friedhofstor. «Kein Mann will, dass seine Frau fremdgeht.»
Merrily blinzelte. Plötzlich sah sie James wieder vor sich, auf dem Höhepunkt seiner Krise, als er betrunken auf dem Dorfplatz herumgetorkelt war und Alison versucht hatte, ihn wieder in den Landrover zu zerren.
Hure
hatte er sie genannt. Besitzdenken. Aber Alison war bei alldem cool geblieben.
«Ein anderer Mann?», sagte Merrily.
«Hier?»
«Ach woher denn?», schnaubte James. «Gott, Mrs. Watkins.
Gott!»
«Was?»
«Religion hat ihren Ort – die Kirche. Das habe ich immer akzeptiert, wie Sie wissen. Gehört dazu. Je mehr Zugezogene Teil der Gemeinde werden, desto besser.»
«Ganz Ihrer Meinung.»
«Fanatismus allerdings … ist etwas ganz anderes.»
«Oh, ich verstehe. Sie meinen, Gott ist der … der andere Mann.» Sie lächelte. Für James war die Kirche eine Verpflichtung, eine Stunde, die man notwendigerweise auf einer harten Kirchenbank verbringen musste. Tradition und Pflicht – so war James aufgewachsen. Als zur Diskussion stand, die Pfarrstelle in Ledwardine mit einer Frau zu besetzen, war er der Erste gewesen, der Einspruch erhoben hatte. Merrily hatte irgendwie gedacht, diese Haltung hätte er aufgegeben.
«Finden Sie das amüsant, Frau Pfarrer?»
«James», sagte sie, «er ist mein Chef.» James schniefte. «Es ist nicht besonders warm», sagte sie. «Wollen Sie vielleicht mit ins Pfarrhaus kommen? Eine Tasse Tee trinken und –?»
«Nein …» Er schüttelte entschlossen den Kopf. «Keine Zeit,tut mir leid. Ich wollte nur … ich wollte Ihnen nur dringend raten, Abstand zu dieser Frau zu halten, wenn Sie wissen, was gut für Sie ist. Tut mir leid … das sollte nicht wie eine Drohung klingen.»
«Natürlich nicht.»
«Box hat mir ein paar Sachen erzählt. Er hatte ziemlich was getrunken, deshalb behandele ich das meiste davon vertraulich. Jedenfalls, ich nehme an, Sie wissen, dass sie in psychiatrischer Behandlung war?»
«Nein, das wusste ich nicht.»
«Dann wissen Sie’s jetzt.»
«Aber …» Merrily dachte an Lol. «Wir sollten so etwas niemandem vorhalten … ‹Lasst die Bekloppten zu mir kommen›, sagt der Herr, ‹und ich werde …›»
«Mrs. Watkins», sagte James erschöpft, «mir ist klar, dass es inzwischen ein Hobby von Ihnen ist, sich über mich lustig zu machen, aber –»
«Wie ist er denn so?»
«Was?»
«Mr. Box.»
«Oh.» Er dachte nach. «Meine Größe, vielleicht einen halben Kopf größer. Bisschen älter als sie. Hält sich fit.» Er mied Merrilys Blick und musterte den Eichenpfosten der Kirchenvorhalle, als bezahlten die Bulls immer noch für ihre Instandhaltung.
«Ja», sagte sie, «aber
wie
ist er?»
«War früher Journalist. Jetzt Geschäftsmann, kümmert sich um ihre Läden. Sagt, er macht die ganze Arbeit, während sie unterwegs ist und mal eine kleine Idee einbringt. Ich kenne diese Läden nicht …
Dekorationsartikel .»
Es klang, als hätte James
erotische Filme
gesagt. «Glatter Typ.»
«Ist er noch hier?»
«Nicht dass ich wüsste. Er ist Freitag nur in den
Swan
gekommen,weil er es leid war, zu Hause zu sitzen und seiner Frau dabei zuzusehen, wie sie in der Bibel liest und Psalmen vor sich hin murmelt.»
«Das hat er gesagt?» Hinter ihm, auf dem Friedhof, sah Merrily eine kleine Rauchwolke emporsteigen.
«Nicht mit diesen Worten. Ist nur eine Vermutung. Sehen Sie, Frau Pfarrer, ich bin über das ganze Hin und Her nicht im Bilde. Bin auch nicht gerade der ideale Eheberater.»
«Vermutlich nicht, nein.»
«Aber wenn Box jemandem die Schuld gibt, dann würde ich sagen, er schaut in Ihre Richtung. Und das ist ein bisschen mehr als eine Vermutung.»
«Wie meinen Sie das?»
«Na ja, ich … ich …» James
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