Der Himmel über der Heide (German Edition)
Lehmann sie gerade nach einem Date fragte? Frank Lehmann? Der Kerl, der ihr bei der ersten Begegnung so unsympathisch war? Wie lange war es überhaupt her, dass ein Mann sie derart in Verlegenheit gebracht hatte?
«Es dürfen auch mehr als zehn, fünfzehn Kilometer sein», ergänzte er und sah herausfordernd zu ihr hinunter.
Kati spürte, wie ihr Herz einen kleinen Hüpfer machte. Da hatte sie eine Idee.
«Kennen Sie Lüneburg?», fragte sie und erhob sich ebenfalls.
Lehmann hob skeptisch die Augenbrauen und nickte zögernd. «Als ich in der Grundschule war, hat unsere Lehrerin uns zu einer Stadtführung gezwungen. Das war natürlich todlangweilig.»
«Was? Sie wollen mir erzählen, dass Sie als Tourismusexperte für die Lüneburger Heide seit der Grundschule nicht mehr in Lüneburg gewesen sind?», fragte Kati mit gespielter Empörung.
«Tja, ich lasse mich gern von Ihnen überzeugen, dass sich der Weg nach Lüneburg lohnt.» Er grinste.
Als Kati ihn zum Auto begleitete, geriet sie ins Schwärmen. «Die Altstadt ist wirklich superschön. Und ich kann Ihnen versprechen, dass es dort ein kleines, feines Restaurant gibt, dessen Koch der Einzige weit und breit ist, der meinem Vater Konkurrenz machen könnte», erklärte sie halb im Scherz. «Und bei diesem Mann handelt es sich sogar um einen Sternekoch!»
Während sie neben Frank Lehmann zum Parkplatz ging, schilderte sie weitere Sehenswürdigkeiten, die Lüneburg zu bieten hatte. Sie redete einfach drauflos und berichtete vom Salzmuseum, der Ilmenau, dem alten Kran am Hafen, dem Rathaus, dem Wasserturm, dem Kloster und sogar der Telenovela, die vor der romantischen Kulisse der Stadt gedreht wurde. Aber sie erzählte all das nicht, weil sie plötzlich Stadtmarketing für Lüneburg betreiben wollte, sondern um ihre Unsicherheit zu überspielen. Mit aller Kraft wollte sie das aufkommende Glücksgefühl verbergen, das wie ein Flummi in ihrem Bauch umhersprang.
Wie lange hatte sie sich nicht mehr so gut und so lebendig gefühlt?
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13
Als Kati an diesem Abend zu später Stunde noch hellwach in ihrem Bett lag, kreisten ihre Gedanken wieder einmal in wilden Bahnen. Aber ausnahmsweise ging es um etwas Erfreuliches. Sie ertappte sich dabei, auch an Frank Lehmann denken zu müssen.
Ein Lächeln huschte ihr übers Gesicht.
Abgesehen von ihren starken Vorbehalten und Vorurteilen ihm gegenüber schien Frank Lehmann doch ein guter Mensch zu sein, der mit beiden Beinen fest im Leben stand und eine Vision im Leben hatte. Das beeindruckte Kati.
Und wer weiß, fragte sie sich, vielleicht waren es seine Pläne zur Rettung des Heidehofes doch wert, geprüft zu werden.
Kati konnte inzwischen auch den Standpunkt ihrer Stiefmutter besser nachvollziehen. In den vergangenen Tagen und Wochen hatte sie hautnah erlebt, was der Hof trotz seines Charmes und seiner Familientradition für eine Riesenbelastung bedeutete und welche Kosten er verursachte. Es war etwas ganz anderes, selbst mit in der Mühle des Alltagsbetriebs zu stecken, als nur theoretisch darüber zu reden. Inzwischen verstand sie die psychische Belastung, die so ein Unternehmen mit sich brachte, ein wenig besser. Kein Wunder, dass Dorothee da mitunter daran dachte, ihre Arbeit auf dem Hof an den Nagel zu hängen.
Schließlich hätte Kati auch, was ihr eigenes Leben, ihr Leben in Hamburg anging, manchmal am liebsten alle Verantwortung abgegeben. Es gab Momente, in denen sie am liebsten schreiend vor allem davongelaufen wäre – weg von ihrem grässlichen Chef, weg aus der Großstadt, weg aus einer Wohnung, die ihr inzwischen kalt und leer erschien. Aber wo sollte sie hin? Zurück nach Uhlendorf, wäre das überhaupt vorstellbar? In dieses Dorf, in dem jeder jeden kannte, und wo an allen Ecken schmerzhafte Erinnerungen lauerten. Und wovon sollte sie leben? Es von hier aus als freie Graphikerin versuchen? Aber die Auftragslage war mehr als schlecht. Und wenn Kati ehrlich war, hatte sie früher mehr Spaß an ihrem Job gehabt.
Nichts zog sie zurück nach Hamburg, und Kati war froh, noch in Uhlendorf bleiben zu können. Auch weil sie so Frank Lehmann bald wiedersehen würde.
Flos Sticheleien trugen ein Übriges dazu bei, dass Kati diesen Mann nicht mehr aus dem Kopf bekam. Ihre Freundin hatte beobachtet, wie sie sich lange und offenkundig höchst angeregt auf dem Parkplatz unterhalten hatten. Flo überschlug sich vor Begeisterung, und Kati wusste nicht, ob es Lehmanns lässiges Outfit oder sein
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