Der Himmel über Garmisch (German Edition)
gestern Abend, wo er sich auf einmal draußen auf die Treppe setzt …«
»So was kann mal vorkommen, in unserm Alter. Das muss man nicht überbewerten.«
»Er ist nicht gesund.«
»Das wird schon. Eine Phase. Das gibt sich wieder.«
»Warum sind wir noch in Garmisch? Was tun wir hier?«
Sie sah ihm direkt in die Augen, und er hatte Mühe, ihrem Blick standzuhalten. Carlo hatte gelacht vor Glück, und dann war Marie hereingekommen und hatte Hardy ihre Tochter weggenommen, mit einem Blick, als sei er ein Raubtier. Sie hatte ihm nicht getraut, Marie, damals. Vielleicht zu Recht.
Doch, dachte er. Ich habe mich geändert. Damals war ich eine Hyäne. Aber was bin ich heute?
»Die Jungs merken, dass etwas nicht stimmt. Das macht mir Sorgen«, sagte Ula.
Die Jungs. Reagan und Gunther. Söhne ihres Vaters. Junge Löwen. Auch Reagan, selbst wenn Carlo das nicht glauben mochte.
»Sprich mit deinem Vater«, sagte Hardy.
»Du weißt genau, wie er reagiert, wenn ich irgendwas über meine Brüder sage, das ihm nicht passt.«
»Ich weiß nur, wie er reagiert, wenn du Unsinn redest.«
»Ich rede Unsinn?« Sie presste die Lippen zusammen.
»Nein. Gelegentlich redest du Unsinn. Wenn es kein Unsinn ist, wird er dir zuhören.«
»Aber ob es Unsinn ist oder nicht, entscheidet er.«
»Natürlich. Er ist dein Vater.«
Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch und lehnte ihre Stirn gegen die gefalteten Hände. »Ich wünschte, Mutter wäre da«, sagte sie kaum hörbar.
»Wünschen hilft nicht«, sagte Hardy.
Sie nickte und drückte sich müde von ihrem Stuhl hoch. »Dann werd ich also versuchen, keinen Unsinn zu reden«, sagte sie mit einem halben Lächeln und ging zur Tür.
»Das wirst du schaffen«, sagte Hardy.
Als Ula gegangen war, kam Marie herein. Sie trat neben ihn und streichelte mit dem Handrücken seine Wange. Eine Träne lief ihre Wange herab.
»Du fehlst ihnen«, sagte Hardy.
Ich weiß , hörte er sie sagen. Und dir fehl ich auch.
***
»Es war ein bisschen viel heute«, sagte Schwemmer mit halb vollem Mund. Er nahm einen Schluck von seinem Tegernseer.
»Hast du mit Schafmann über die Zettel gesprochen?«
»Schlimmer. Ich habe mit ihr selber gesprochen. Die Frau haben sie geschafft.«
»Sie? Wer sind sie?«
»Alle, wie sie da sind. Hessmann. Isenwald. Die Kollegen. Grellmayer. Der vor allem.«
»Also stimmt das, was in der Zeitung stand?«
»Ja. Aber das war nur ein kleiner Teil der Geschichte. Zettels Verlobter wird wahrscheinlich nicht wieder laufen können. Der Mann, den er als Täter erkannt hat, ist wegen erwiesener Unschuld frei. Zettel ist arbeitslos und trinkt. Ausgerechnet Karin Zettel.«
»Sie trinkt?«
»Weißbier und Schnaps vormittags.«
»Herrschaftszeiten. Sie war doch immer so eine Adrette.«
»War sie.«
»Ich hab sie ja nur ein-, zweimal gesehen. Auf der Weihnachtsfeier. Mir war sie sympathisch.«
»Mir auch. Ist sie auch noch.« Er nahm lustlos einen Bissen von dem Wirsing.
»Schmeckt’s nicht?«, fragte Burgl.
»Doch. Ich sollte beim Essen nicht über die Arbeit reden. Sind das die Pfefferbeißer, die wir von der Hochalm mitgebracht haben?«
»Genau. Vom Hirschen.«
»Sehr lecker.«
Eine Weile aßen sie schweigend.
»Wenn ich das geahnt hätte, hätt ich versucht, mich vor dem Job hier zu drücken, irgendwie.«
»Lass dich doch krankschreiben.«
»Führ mich nicht in Versuchung.«
»Und was ist das für ein Verlag, der diesen Quatsch verkauft?«
»Die Verlegerin ist qua Erbschaft Besitzerin des Stadels, in dem der Tote gefunden wurde. Weiß aber von nichts.«
»Und das glaubt man ihr?«
»Jetzt noch weniger als sowieso. Ich hab einen Durchsuchungsbeschluss für den Hof beantragt. Hoffentlich kommt der schnell … Wirklich lecker, diese Wurst.«
»Ist leider die letzte. Aber wir können am Wochenende mal wieder da hoch.«
»Wandern oder fahren?«
Sie lächelten beide, weil sie wussten, dass sie unterschiedlicher Meinung sein würden.
»Wie wär’s mit rauf Seilbahn, runter wandern?«, fragte sie.
»Wenn schon, dann andersrum. Runter ist schlecht, wegen meinen Knien.«
»Passt«, sagte Burgl. »Hoffentlich wird’s schön am Wochenende.«
»Ja«, brummte Schwemmer. »Wenigstens am Wochenende.«
***
Sie prosteten sich zu.
Silvia lächelte sanft.
»Eigentlich sollt ich bös auf dich sein«, sagte sie. »Einfach so verschwinden …«
»Glaub mir, es ist besser so.« Er lächelte zurück und nahm einen Schluck Scotch. »Morgens bin ich
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