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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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als er nach Hause kam, seinem Vater von Svetlana erzählt. »Sie hat Haare wie reifes Korn!« hatte er geschwärmt. Und der Vater hatte gelacht und geantwortet: »Um das festzustellen, mußt du erst noch 10 Jahre älter werden.«
    Erschrocken hielt er mit seinen Erinnerungen inne. Zehn Jahre … es mutete ihn jetzt wie eine Prophezeiung an. Er sah zu Svetlana hinüber, die ein Tuch auf das Gras breitete, das sie erst mit ihren Stiefeln niedergetreten hatte. Auf dieses Tuch legte sie die Speisen … Fleisch, Brot, ein Fäßchen mit Salz, zwei Messer, eine Blutwurst und zwei Tonbecher für den Tee. Ihr Haar ist dunkler geworden, dachte Boris dabei. Goldener. Reifer noch als reifes Korn.
    »Komm! Es ist alles fertig, Bor.«
    »Du bist schön, Svetla«, sagte er leise.
    Sie sah ihn an und lachte laut. »Du sagst es, als seist du traurig darüber.«
    »Du wirst viele Freunde haben.«
    Sie dachte an Borkin und die vergangene Nacht und schüttelte den Kopf. »Nein! Niemanden! Ich lebe auf der Datscha, und djadja paßt auf.«
    »Iwan Kasiewitsch Borkin! Man erzählt nichts Gutes von ihm!«
    »Es sind Lügen!« rief sie leidenschaftlich. »Ohne Borkin wäre ich vielleicht verhungert! Niemand wollte mich haben! Ich wurde behandelt wie eine Ratte!«
    Sie tranken den Tee und aßen etwas Fleisch. Dabei sprachen sie nicht, sondern sahen sich an. Nicht offen, sondern versteckt, mit kurzen Blicken, die unter der gesenkten Stirn hervorschossen oder beim Anreichen des Tees oder des Fleisches sich streiften.
    Nach ein paar Bissen erhob sich Boris. Das bronzene Pferd schüttelte den Kopf und sah zu ihm hinüber.
    »Ich muß weiter, Svetla. Ich habe keine Ruhe. Die Schafe müssen da sein, sonst schickt mich der Natschalnik nach Alma-Ata, wegen Sabotage.«
    »Sie sind bestimmt nicht hier vorbeigekommen. Nicht, solange ich hier bin.«
    »Ich glaube es dir.« Er setzte seine blaue Mütze wieder auf die krausen Haare. Das Pferd erhob sich. Von der tiefer stehenden Sonne aus beschienen, leuchtete es in den schrägen Strahlen wie rotes Gold. Svetlana betrachtete es verzückt.
    »Wo hast du es her?«
    Boris winkte. Das Pferd kam langsam auf ihn zu. »Ich habe es in Alma-Ata als Fohlen gesehen. Es wurde beim letzten Transport aus Deutschland ausgeladen. Damals sah es häßlich aus, mager, mit einem stumpfen Fell. Keiner wollte es.«
    »Es ist ein Kind von unserem ›Moj druk‹! Es kann gar keinen anderen Vater haben. Ich sehe meinen Vater immer noch auf ihm sitzen, wenn er in Nowy Wjassna einritt.«
    Boris streichelte über den Hals des Pferdes. Seine bernsteinfarbigen Augen sahen ihn an, als verstände es alle Worte.
    »Soll ich es dir schenken, Svetla?«
    »Bor!« Sie umarmte ihn, aber plötzlich schüttelte sie den Kopf. »Es gehört dir doch nicht. Es gehört der Sowchose. Borkin würde es sofort zurückbringen.«
    »Das stimmt.« Boris schwang sich in den Sattel und reichte Svetlana die Hand. »Es ist schön, daß wir uns wiedergesehen haben.«
    »Wirst du wiederkommen?«
    »Bestimmt, Svetla.«
    »Ich bleibe eine Woche in der Steppe.«
    »Ich komme morgen wieder.«
    »Ich warte auf dich.«
    Er beugte sich vom Pferd zu ihr hinab und strich ihr über das Haar, so wie er es an der Kirche getan hatte, als sie müde vom Laufen im Grase lagen. Svetlana ergriff seine Hand und hielt sie fest. Es war ihr, als hielte sie einen brennenden Dornbusch zwischen den Fingern.
    »Komm wieder, Bor!« sagte sie stockend. Dann drehte sie sich herum, stieß die Hand weg und rannte in ihr Zelt.
    »Heij!« schrie Boris. »Heij!« Er stieß die Absätze in die Weichen des bronzenen Pferdes und raste über die Steppe davon.
    Durch einen Schlitz des Zeltes sah ihm Svetlana nach. Er ritt geradewegs in die sinkende Sonne hinein … hinein in den roten Feuerball und die gelbvioletten Wolken, die die Steppe zu einem blutigen Meer werden ließen und den Himmel über Kasakstan zu einem Gewölbe aus gleißenden Rubinen. Da hinein ritt er mit seinem goldenen Pferd … wie ein Geist Tamerlans, des Großen, wie ein unwirkliches Wesen, geboren aus Gold und Licht, Schönheit und Liebe.
    Svetlana hielt den Atem an. Sie krallte die Finger in die Leinwand des Zeltes und starrte Boris nach, bis er in der Weite unterging, als habe ihn die Feuerglut des Himmels wie einen Tropfen aufgesaugt.
    »Er kommt wieder«, sagte sie leise und strich sich die blonden Haare über das Gesicht. »Er kommt wieder, Svetla …«
    Und sie vergaß, daß sie Borkin versprochen hatte, gegen Abend zum Wald

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