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Der Himmel über Kasakstan

Der Himmel über Kasakstan

Titel: Der Himmel über Kasakstan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kopf frei … es schnellte ihn empor und wieherte laut. Es klang wie ein Kampfruf; es durchzuckte Svetlana wie ein heißer Schlag.
    »Dieses Pferd …« Sie sah zu dem Reiter auf, der sie musterte und in dessen Augen sie Spott und Mitleid las, wie man es mit einer geistig Kranken haben mochte. »Dieses Pferd kenne ich …«
    »Das ist unmöglich! Es ist vier Jahre alt! Es war nie aus Undutowa fort.«
    »Ich kenne den Vater.«
    »Unmöglich …«
    Svetlana schloß die Augen. Nowy Wjassna, dachte sie. So hieß das Dorf. Und der Vater ritt dieses Pferd … der Vater … der Vater. Ihr Kopf zuckte empor, das Kopftuch fiel auf ihre Schulter und gab ihre langen, goldgelben Locken frei.
    »Er hieß ›Moj druk‹! Mein Vater rief ihn immer so!«
    »Verdammt!« Der Reiter sprang von dem bronzenen Pferd und musterte das Mädchen. Er hatte krauses, schwarzes, kurzes Haar, fast wie ein Neger. Als er auf der Steppe stand, war er zwei Köpfe größer als die zierliche Svetlana, breit und kräftig. »Wer bist du?« fragte er. »Es stimmt, was du sagst. Ich habe dich nie in Undutowa gesehen!«
    »Ich bin Erna-Svetlana Bergner …«
    »Ich heiße Boris Horn …«
    Über Svetlanas Antlitz zog ein seliges Lächeln.
    »Bor …«, sagte sie leise. »Du bist Bor aus Kraftfeld.«
    »Und du bist Svetla aus Neuenaue …« Er ergriff ihre Hand und drückte sie. Dann besann er sich, nahm ihre Hand noch einmal und küßte sie.
    »Was machst du, Bor?« Aber sie ließ ihm die Hände und tastete mit dem Blick über seine krausen Haare, über seine Stirn, seine dunklen Augen, seine starke Nase und seinen schmalen Mund. »Du bist wirklich Bor …«, sagte sie leise. »Es ist kein Märchen … es ist wirklich wahr …«
    Er legte den Arm um ihre Schulter. Es war wie damals, vor der kleinen Kirche auf dem Hügel zwischen Neuenaue und Kraftfeld, als sie sich zum erstenmal sahen und Svetlana auf Boris' Pferd reiten durfte.
    »Wo lebst du jetzt?«
    »Bei Judomskoje. Auf der Datscha von Iwan Kasiewitsch Borkin.«
    »Ist das der Stalindichter?«
    »Ja.«
    »Und deine Eltern?«
    »Mein Vater ist verschollen. Meine Mutter …« Sie sah Boris aus weit aufgerissenen Augen an und schüttelte dann den Kopf. »Nicht mehr darüber sprechen, Bor. Ich will es vergessen. Ich will es nie mehr sagen …«
    »Ich werde es nie vergessen! Nie!« Boris setzte sich vor das Zelt. Das bronzene Pferd trabte ein Stück weiter und legte sich dann in das hohe Steppengras. Nur der Kopf ragte aus den Halmen hervor … schwarze Nüstern unter einem weißen Streifen inmitten eines in der Sonne flimmernden Goldes.
    »Sie haben meinen Vater mit der Mistgabel aufgespießt und meine Mutter nackt durch das Dorf gejagt. Und dann … es waren Tataren … dann …« Er biß die Zähne auf die Unterlippe und starrte hinauf in den Himmel. »Ich will es nie vergessen, Svetla! Hat man dir nichts getan?«
    »Ich war zu jung.« Sie sah auf ihn hinunter, auf die schmutzigen Stiefel und auf die staubüberzogene Kleidung. »Willst du einen Becher saurer Milch, Bor? Oder soll ich dir einen Tee kochen? Ich habe auch Fleisch hier … kalten Braten. Du bist lange geritten?«
    »Einen Tee. Ich helfe dir.«
    Er sprang auf und suchte nach Stücken trockenen Holzes. Einen Arm voll brachte er dann heran, entfachte das Feuer und hängte den Kessel in das eiserne Kochgestell, das Svetlana von der Datscha mitgebracht hatte. Kerek hatte es nicht nötig gehabt … er lebte von kalter Milch, rohem, geschabtem Fleisch und dunklem Brot, das so feucht gebacken war, daß es sich über eine Woche weich hielt. Den Schimmel, den es ansetzte, aß Kerek mit. Er war 65 Jahre alt geworden, ohne jemals krank gewesen zu sein.
    Boris beobachtete Svetlana, wie sie den gepreßten Tee, den man in den staatlichen Läden kaufen konnte, auseinanderbrach und die Krümel in das siedende Wasser streute. Mit einem Holzlöffel rührte sie den Tee um und raffte ihre Kleider auf, benutzte den Rock als Schutz für die Hände und hob den Kessel vom Feuer. Boris sah ihre Knie und ihre Schenkel, eine glatte, braune Haut, gesund und glänzend. Aber er spürte nicht das heiße, wilde Gefühl, das Borkin durchrann, wenn er Svetlana nach dem Bade im See abrieb, sondern er dachte nur, mit einer Verblüffung fast: Wie schön ist sie geworden.
    Damals, an der Kirche auf dem Hügel bei Neuenaue im Warthebogen, an deren Tür die Rotarmisten den Pfarrer lebendigen Leibes festnagelten, war das Schönste an ihr das Haar gewesen. Er hatte an jenem Sonntag,

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