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Der Himmel über New York (German Edition)

Der Himmel über New York (German Edition)

Titel: Der Himmel über New York (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Carl
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nach Deutschland. Das heißt nicht, dass wir uns nicht wiedersehen.«
    »Du kannst jetzt nicht so tun, als wäre das zwischen uns nichts weiter als eine Affäre! Du hast gesagt, du liebst mich!« Seine Finger kneten meine.
    »Wie stellst du dir das vor?«, frage ich. »Ich bekomme höchstens für drei Monate ein Touristenvisum. Und ich kann in den USA nicht mal einen Job annehmen.«
    »Ich weiß.« Leroy nickt bedächtig. Er sieht mich erwartungsvoll an, als müsste ich gleich aufspringen, mir an den Kopf fassen und »Klar, warum bin ich nicht gleich darauf gekommen!« schreien. Stattdessen erwidere ich seinen Blick verständnislos.
    »Jenny«, sagt er feierlich und räuspert sich noch einmal. »Ich würde dich sofort heiraten.«

20.

    M anhattan ist nicht groß genug. Für diese Entscheidung brauchte ich einen Spaziergang, der Tage oder Wochen dauert. Vom Südzipfel Staten Islands bis in den Norden der Bronx. Und wieder zurück.
    Ich kann Leroy nicht länger dabei zusehen, wie er stumm auf dem Sofa sitzt, mit seinem Daumen Löcher in die Rückenlehne pult, auf dem Bügel seiner Brille herumnagt und mich mit Blicken verfolgt, wenn ich auf und ab gehe. Sein Schweigen hat mich schon gestern Abend ganz mürbe gemacht. Ein zweites Mal ertrage ich es nicht.
    »Ich geh mal eine Runde Luft schnappen«, sage ich zu ihm und muss dabei wieder an Udo Jürgens denken.
    Ich war noch niemals in New York.
    Ein Mann geht Zigaretten holen und spielt mit dem Gedanken, nie mehr zu Frau und Tochter zurückzukommen.
    Noch vor ein paar Tagen wäre ich am liebsten keine Sekunde ohne Leroy gewesen. Ich habe den Zeiger meiner Uhr angefeuert, dass er sich schneller bewegt, wenn Leroy mal nicht da war, Gemüse kaufen ging, auf Kuriertour war. Sogar, wenn er für fünf Minuten im Bad verschwand. Jetzt fühle ich mich, als seien wir zusammen in einer Wohnung eingeschlossen, in der Feuer ausgebrochen ist. Ich wundere mich, dass er mich nicht daran hindert, meine Finger um den Türknopf zu schließen, ihn nach rechts zu drehen, auf den Hausflur zu treten, schließlich die Treppen hinunter und auf die Straße zu laufen.
    Gestern habe ich Linda von der Liberty Travel Agency angerufen. »Sie wollen Ihre Flugdaten also doch nicht ändern? All right , dann gute Reise.« Als ich den Hörer auflegte, fühlte ich mich wie nach einem Freispruch. Aber jetzt tickt eine Zeitbombe in meinem Kopf, die ich nicht entschärfen kann.
    Noch drei Tage, sechzehn Stunden, neun Minuten bis zum Abflug.
    Die untergehende Sonne spielt Verstecken mit den Häusern. Mal kann ich die rote Halbkugel sehen, mal wird sie verdeckt von einem Wirrwarr aus braunen Ziegelwänden, Wassertürmen und Fassadenschmuck.
    Als ich an einer Subway-Station vorbeikomme, merke ich, dass der Gang um den Block nicht ausreicht. Ich muss Abstand zu Leroy haben, körperlichen Abstand, mindestens ein paar Stationen mit der U-Bahn.
    Ich habe das Ende der Stoßzeit nach Feierabend erwischt. Auf dem Bahnsteig liegen Glasscherben, verklebt mit einer dunklen Flüssigkeit, und der einfahrende Zug ist mit Schulkindern auf dem Nachhauseweg überfüllt. Die Jungen hängen sich an die Haltestangen und versuchen trotz der Enge Klimmzüge. Die Hitze macht sie aggressiv. Die Mädchen sitzen einander auf dem Schoß, die Taschen wie müde Haustiere zu ihren Füßen verstaut. Die Stimme des Fahrers scheppert aus den Lautsprechern. Sorry for the delay, there’s a train ahead .
    Am Washington Square steige ich aus. Hochhäuser in verschiedenen Brauntönen umstehen den Platz, bewachen ihn wie friedliche Riesen. Die Sonne steht tief. Wind streicht durch die Häuserschluchten. Ich schlendere die 5 th Avenue entlang, vorbei an den Schaufenstern pakistanischer Teppichhändler, von denen einige ihren Laden schon geschlossen und mit einem Metallgitter abgesichert haben.
    Eine weiße Stretchlimousine mit verdunkelten Scheiben und drei Türen auf jeder Seite gleitet an mir vorbei. Wie hat sich Conny ein solches Auto mit Chauffeur gewünscht. Mit Fernsehbildschirmen in der Sitzlehne, Bar, Autotelefon. An der nächsten Straßenecke kommt mir eine Reisegruppe entgegen. Alle tragen die gleichen Jeans, Turnschuhe und Windjacken mit dem Logo des Reiseveranstalters.
    Ich stelle mir vor, welche von ihnen miteinander verheiratet sind. Es gelingt mir nicht. Sie sehen sich so ähnlich, dass ich mich frage, ob die Frauen manchmal ihre Ehemänner verwechseln und sich bei dem Falschen einhaken. Wann würden sie ihren Irrtum bemerken: Wenn

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