Der Himmel über New York (German Edition)
Brauen hat sich eine steile Falte gebildet. Er sieht ärgerlich aus, aber wahrscheinlich ist er nur konzentriert.
»Stimmt was nicht?«, frage ich. Er rührt weiter, als könnte er in den Colabläschen die Zukunft lesen.
»Stell dir vor, der Typ neben mir glaubt, wir Deutschen trinken den ganzen Tag Bier«, beginne ich noch einmal und will meine Hände um Leroys Taille legen.
Er weicht zurück und verschränkt die Arme vor der Brust.
»Ach, du führst also interessante Gespräche mit diesem Yuppie-Arschloch? Über lustige Biergläser? Vielleicht auch noch über Aktienkurse? Oder Wochenendhäuser auf Long Island?«
Ich bin so verblüfft, dass mir nichts mehr einfällt.
»Moment mal – der Typ, dieser Simon, hat sich zu mir gesetzt, ist das vielleicht verboten?«, stottere ich schließlich.
Leroy schüttelt ungestüm den Kopf. Er steht so nah vor mir, dass seine Rastalocken in mein Gesicht fallen. Sie riechen fettig.
»Weißt du, was ich nicht mag? Ich mag diese aalglatten Typen nicht, die hier neuerdings auftauchen wie im Zoo und sich amüsieren über unsere exotischen Lebensgeschichten. Das ganze Herzblut auf der Bühne. Aber weißt du, was ich ganz besonders nicht mag?« Er bohrt seinen Zeigefinger unter mein Brustbein und sieht mich drohend an. »Ich mag keine Typen, die mein Mädchen anquatschen. Und noch was kann ich nicht leiden. Dass mein Mädchen sich einfach so anquatschen lässt.«
»Leroy …«, beginne ich verdattert. Aber er ist jetzt nicht mehr zu bremsen.
»Du hättest dich schließlich auch zu Lydia und Amy setzen können, die kamen fünf Minuten nach uns. Aber Madame hockt ja lieber mit fremden Männern am Tisch. Oder führt Telefongespräche, wenn ich nicht da bin, in meinem eigenen Schlafzimmer, und sagt mir nicht, mit wem sie geredet hat.«
Er starrt mich angriffslustig an. Ich starre zurück. Halte seinem Blick stand. Ich wünschte, ich könnte durch seine Pupillen hindurch in seinen Kopf sehen, erkennen, was noch an Vorstellungen über Frauen darin herumspukt. Über Frauen und wie sie sich zu benehmen haben.
»So, und jetzt hör mir mal gut zu«, höre ich mich sagen. Meine Stimme ist ganz ruhig, auch wenn mein Herz bis zum Hals schlägt. »Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, mit wem ich reden darf. Ich lasse mich nicht einsperren. Von niemandem. Schon gar nicht von dir.«
Er sieht mich unverwandt an. »Das werden wir noch sehen.«
Leroy ist an diesem Abend nicht unter den Siegern. Auf dem Weg zu seiner Wohnung gehen wir nebeneinanderher wie Fremde. Wir steigen wortlos die Treppe hoch. Erst als ich mein Kissen von seinem Bett nehme und auf eines der Sofas auf dem Flur legen will, hält er mich zurück. Er packt mich bei den Schultern. Im Schein der Straßenlaterne vor dem Fenster tanzen die Schatten seiner Zöpfe auf meiner Brust.
»Sweetheart, ich habe es nicht so gemeint. Das musst du verstehen, ich bin heute so angespannt gewesen. Komm mit mir ins Bett.« Und, als ich nicht reagiere: »Bitte!«
Während ich mein Kissen unter den Arm klemme und ihm folge, warte ich auf eine Entschuldigung. Eine ausgesprochene, eine klare Entschuldigung für das, was er getan hat. Aber von ihm kommen keine weiteren Worte.
Ich schlafe nicht und auch er liegt wach. Hinter meinem Rücken wirft er sich herum und gräbt mit seinen Fingernägeln unter dem Kissen. Von dem Geräusch bekomme ich eine Gänsehaut.
Es ist die erste Nacht, in der wir uns nicht lieben. Erst am nächsten Morgen finden sich unsere Körper im Halbschlaf, als wüssten sie noch nichts von unserem Streit. Unsere Hände tasten nacheinander, als hätte sie die Botschaft aus dem Kopf noch nicht erreicht. Während mich eine warme Welle wegspült, beiße ich ihn in die Schulter. Ich beiße so fest zu, dass die Spuren noch Minuten später zu erkennen sind. Er stöhnt leise auf. Aber er sagt nichts.
Vom Fenster aus kann ich sehen, wie er sein Fahrrad vom Gartenzaun loskettet, den Bauchgurt seines Rucksacks festzieht, das rechte Bein mit einer eleganten Bewegung über den Sattel schwingt. Ich drehe mich um und schaue mich im Zimmer um, als sähe ich es zum ersten Mal. Die ausgeblichene Rastafahne an der Decke. Der Wandschrank, der nicht richtig schließt. Die Stapel mit Flugblättern. Eine Demonstration gegen Polizeigewalt. Das Zimmer lädt mich nicht zum Bleiben ein.
Das Telefon klingelt. Amy hat mich gebeten, dass ich rangehe. Für den Fall, dass es ihr Bankberater ist. Zum ersten Mal im Leben verdient sie regelmäßig
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